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Aus dem GERICHTSSAAL: Mit dem Baby auf der Anklagebank

Gericht stellte Verfahren gegen die jungen Eltern wegen geringer Schuld ein

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Aus dem GERICHTSSAALGericht stellte Verfahren gegen die jungen Eltern wegen geringer Schuld ein Daniel* und Daniela D.* sind liebevolle junge Eltern. Längst ist ihr Gerichtstermin überfällig, wird der Junior in seiner Tragetasche quenglig. Vater Daniel schneidet Grimassen, die den Sprössling zum Lachen bringen, Mutter Daniela reicht ihm im Wechsel unermüdlich Rassel und Schnuller. Endlich wird die Strafsache D. aufgerufen. Das Paar nimmt auf der Anklagebank Platz, den sieben Monate alten Sohn in der Mitte. Die Erwachsenen schauen schuldbewusst drein. Den Kleinen scheint der Ortswechsel allerdings aufgemuntert zu haben. Neugierig blickt er sich um, kräht vergnügt. Daniela (22) und Daniel D. (27) müssen sich im beschleunigten Verfahren wegen Ladendiebstahls verantworten. Laut Staatsanwaltschaft nahmen sie am Nachmittag des 5. Februar 2005 im Kaufland Säuglingsmilchflaschen im Gesamtwert von 5,30 Euro aus dem Regal, versteckten sie dann im Kinderwagen, um sie ohne Bezahlung durch den Kassenbereich zu schmuggeln. „Was soll ich groß sagen?“, fragt Daniel D. „Wir brauchten für das Baby Flaschen, hatten aber kein Geld, welche zu kaufen.“ Sie seien schon mit dem Vorsatz ins Geschäft gegangen, das Benötigte zu stehlen, gesteht der arbeitslose Straßenbauer ohne Umschweife. „Für die fünf Euro, die wir noch hatten, haben wir Brot und Milch gekauft.“ „Was wir getan haben, war nicht richtig“, erklärt Daniela D. beschämt. „In dem Moment haben wir nicht weiter darüber nachgedacht.“ Amtsrichter Wolfgang Peters hakt nach: „Und wie oft ist es schon gut gegangen?“ Beide Angeklagten betonen, das erste Mal lange Finger gemacht zu haben. Der Vorsitzende glaubt es nicht. „Wenn man so etwas vorher noch nie getan hat, muss man eine gewisse Hemmschwelle überwinden. Aber Sie haben die Sachen zielgerichtet eingesteckt.“ Dann möchte er wissen: „Haben Sie eine Fangprämie an den Detektiv zahlen müssen?“ Daniel D. berichtet von 80 Euro, die sie im Nachhinein überwiesen hätten. Der Richter findet, die jungen Eltern, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, seien genug bestraft und stellt das Verfahren wegen geringer Schuld ein. „Das ist aber kein Freibrief, künftig munter weiter zu klauen“, warnt der Staatsanwalt zum Abschluss. Erleichtert verlässt die kleine Familie den Verhandlungssaal. (*Namen geändert.) HoGa

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