Aus dem GERICHTSSAAL: Mit dem Stock durch die Scheibe 200 Euro Entschädigung
für verletzte alte Dame
Stand:
Hagen H.* (42) redet viel, ohne konkret auf die Fragen von Staatsanwalt und Richterin zu antworten. Eine Schuld oder wenigstens Mitschuld am Sturz der gehbehinderten Seniorin in die Scheibe seines „Schlenkis“ sieht der Busfahrer nicht. „Ich habe das gemacht, was machbar war“, betont er. Dass Charlotte C.* (79) am 15. Dezember vorigen Jahres als Letzte Am Schilfhof durch die mittlere Tür aussteigen wollte, habe er nicht gesehen. „Der Fahrkartenautomat versperrt mir den Blick auf die Fahrgäste an der Mitteltür“ so Hagen H. „Die Videoüberwachung erfasst nur den hinteren Teil des Busses. Außerdem waren bereits alle Türen geschlossen.“
„Sie sollen mit einem kräftigen Ruck angefahren sein“, moniert der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung betont. „Dadurch verlor die Dame mit dem Gehstock den Halt und verletzte sich an der Hand.“ Hagen H. bestreitet den rasanten Start. „Mein Bus ist 18 Meter lang. Mit dem kann man nur normal anfahren.“ Und genau das habe er auch getan. Kurz darauf habe er allerdings „ein komisches Geräusch“ vernommen. „Ich hielt an und quetschte mich durch die Fahrgäste zur Mitteltür, so der wegen fahrlässiger Körperverletzung Angeklagte. Er habe sich sofort um Charlotte C. gekümmert, die kleine Wunde an der Hand verarztet, ihr dann angeboten, einen Krankenwagen zu rufen. „Das lehnte sie ab. Sie wollte auch nicht, dass ich sie nach Hause begleite.“ Dann verspricht er: „Wenn Sie nachher als Zeugin aussagt, werde ich mich bei ihr entschuldigen.“ (Das vergaß er dann allerdings.) „Als Busfahrer haben Sie eine besondere Sorgfaltspflicht“ gibt der Staatsanwalt zu bedenken. Gerade ältere, noch dazu gehbehinderte Fahrgäste, brauchen oft mehr Zeit zum Ein- oder Aussteigen.“ „Ich gucke mir doch nicht alle Leute an“, grummelt der Kraftfahrer. „Mich interessiert der Fahrausweis.“
„Ich warte immer, bis der Bus hält. Erst dann stehe ich auf, um auszusteigen“, erzählt Charlotte C. „In der linken Hand hatte ich einen Beutel mit Kartoffeln, in der rechten meine Gehhilfe. Plötzlich ertönte der Gong zum Abfahren, die Tür ging zu. Das war alles eins. Der Bus fuhr schnell an. Da bin ich mit meinem Stock durch die Scheibe. Die zersplitterte, und ich habe mich geschnitten.“ Schmerzensgeld wolle sie nicht geltend machen, versichert die ältere Dame. So schlimm sei es schließlich nicht gewesen.
Eine Entschädigung in Höhe von 200 Euro erhält die Potsdamerin dennoch. Das Gericht stellt das Verfahren gegen den Busfahrer wegen geringer Schuld ein, verpflichtet ihn allerdings zu besagtem Denkzettel in zwei Monatsraten zu je 100 Euro. (*Namen geändert.) Hoga
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: