Homepage: Mit den Augen der Mathematik
Die Ausstellung „Imaginary“ in den Bahnhofspassagen setzt mathematische Formeln ins Bild. Studierende der Potsdamer Universität führen durch die Schau von Zahlen und Geometrie
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Selten dürfte sich Wissenschaftsministerin Johanna Wanka in einer Ausstellung so heimisch gefühlt haben, wie in der gestern eröffneten Mathematikschau „Imaginary“ in den Arkaden des Potsdamer Hauptbahnhofs. Interessiert ließ sich die Mathematikprofessorin, die vor ihrem Amtsantritt an der Fachhochschule Merseburg lehrte, durch die Galerie visualisierter Formeln führen und bewunderte, wie relativ einfach und eindrucksvoll sich mathematisch komplizierte Sachverhalte verbildlichen lassen.
Das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach hat mit spezieller Software theoretische Hintergründe in einen optisch wahrnehmbaren Vordergrund gehoben und die dabei entstandenen, fantastisch anmutenden Computerbilder zu einer Ausstellung zusammengefasst. Im Jahr der Mathematik zieht sie durch zehn deutsche Städte und ist nun einen Monat lang in Potsdam zu sehen.
Die farbintensiven Formenspiele auf den großflächigen Schautafeln sprachen Johanna Wanka in der ästhetischen Wirkung nicht nur als Wissenschafts- sondern vor allem auch als Kulturministerin an. So wurde sie gestern von Professor Thomas Jahnke von der Universität Potsdam kurzerhand als „Ministerin der Mathematischen Kultur“ willkommen geheißen. Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität wird sich vor Ort um die fachliche Betreuung der Ausstellung kümmern. Zehn Studierende sollen in den kommenden Wochen mathematikbegeisterte Potsdamer und alle, die ihr noch schlummerndes Interesse an der Mathematik wecken lassen möchten, durch die imaginäre Formenwelt führen.
„Unser Bild von der Mathematik“, sagte Thomas Jahnke, „wird vor allem in der Schulzeit geprägt und danach kaum mehr verändert.“ Leider, und damit zitiertete Jahnke seinen Gießener Wissenschaftskollegen Albrecht Beutelspacher, käme der Schulunterricht oftmals nicht einmal in die Nähe dessen, was Mathematik eigentlich bedeutet.
Dem Didaktiker Jahnke, der an der Universität Potsdam künftige Mathematiklehrer ausbildet, liegt besonders viel daran, bei Heranwachsenden die Freude am formalen Denken zu wecken. Die „Imaginary“-Schau könnte mit ihren visuellen Reizen einen sinnlichen Zugang zu einer Sphäre eröffnen, die vielen Menschen bislang verschlossen blieb.
„Die moderne Geometrie“, sagte Thomas Jahnke, „besteht eben nicht nur aus Dreiecken und Kreisen“. In der virtuellen Visualisierung nehmen mathematische Formeln schon mal das Aussehen eines Apfels oder einer Zitrone an und „verwandeln“ sich in Kolibris oder Seepferdchen. Dergestalt erscheinen sie vor allem auch Kindern weniger ernüchternd, als eine nicht enden wollende Kette von Zahlen, Klammern und Variablen.
Dr. Andreas Matt, der die Ausstellung am Oberwolfacher Institut konzipierte und auf ihrer Reise durch Deutschland begleitet, hat schon oft beobachten können, dass gerade die jüngsten Besucher am unbefangensten auf die Bilder zugehen und ohne Scheu alle interaktiven Installationen ausprobieren. Auf überdimensionalen Bildschirmen nämlich kann hier jeder selbst kreativ werden und eigene geometrische Kunstwerke erzeugen.
Dass dies mehr als eine kindliche Spielerei ist, beweist der Werdegang von Dagmar Mrozik. Die Potsdamer Studentin erzählte, dass sie selbst mit ähnlichen Bildern begann, sich für die Mathematik zu begeistern. Inzwischen studiert sie das Fach im 10. Semester und strebt eine wissenschaftliche Karriere an. Sie gehörte gestern zu den Besuchern, die auch die theoretischen Erklärungen an den Tafeln „entziffern“ konnten. Wem dies nicht bis ins Detail gelang, dem blieb immerhin die Imagination fantastischer Bilder.
Bahnhofspassagen, bis 25. Juni, Mo-Fr 10 bis 20 Uhr, Sa 10-18 Uhr, Anmeldung für Schulklassen: biebeler@math.uni-potsdam.de oder Tel. 0331/977 14 99. Weiteres unter www.imaginary2008.de
Antje Horn-Conrad
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