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Sport: Mit den Fans im Rücken

Darmstadts Anhänger nehmen den längsten Anreiseweg der Saison auf sich

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Kreativ waren sie schon immer, die Fans des Drittliga-Aufsteigers SV Darmstadt 1898. So wurde das Punktspiel in Memmingen nahe der österreichischen Grenze in der vergangenen Viertliga-Saison selbstironisch als Europapokalspiel ausgerufen. Die Anreise erfolgte für einige Fans im Flugzeug über Barcelona mit der Billigfluglinie Ryanair. Internationales Flair für den damals in der Tristesse der vierten Liga versunkenen Traditionsverein.

Ähnlich den Fans des SV Babelsberg 03 taten auch Darmstadts Anhänger schon vieles, um ihren Verein zu retten. Im März 2008 reichte das Präsidium des SV Darmstadt einen Insolvenzantrag ein, der seine Gründe vor allem in nicht abgeführten Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträgen hatte. Eine Welle der Solidarität setzte ein, die ihre Höhepunkte in einem Sternmarsch zum Stadion, Benefiz-Theater-Vorstellungen, dem Verkauf von Kunstwerken und einer Darmstädter Musiknacht fand. Auch der deutsche Rekordmeister FC Bayern München gab sich im städtischen Böllenfalltorstadion ein Stelldichein. Ein denkwürdiges 5:11 aus Darmstädter Sicht verfolgten vor ausverkauftem Haus damals 19800 zahlende Besucher. Ein damals großer Schritt aus den Untiefen der Zahlungsunfähigkeit (die Rücknahme des Insolvenzantrags erfolgte im Juni 2009), welcher auch dem SV Babelsberg 03 nach dem Bekanntwerden von großen Löchern im Etat, in einem allerdings deutlich knapper bemessenen Zeitrahmen gelang. Hier wurden Rasenstücke verkauft, Blut gespendet, auch vor Amateur-Konzerten in der Innenstadt wurde nicht Halt gemacht, sodass die Lizenz für die Drittligasaison 2011/2012 in letzter Minute erteilt wurde.

Beim morgigen Drittligaspiel im „Karli“ darf sich der SV Babelsberg 03 über eine stattliche Anzahl an Auswärtsfans freuen. Rund 400 Darmstädter Anhänger werden den mit 550 km längsten Anreiseweg zu einem Auswärtsspiel in dieser Saison auf die verschiedensten Arten bewältigen. Zwar gibt es keine Anreise mit dem Schiff wie zum Auswärtsspiel nach Koblenz im Jahre 2004 und genauso wenig ist ein Fußmarsch geplant wie ihn drei Lilienfans Anfang dieser Saison, mit großem medialen Echo begleitet, nach Aalen zurücklegten.

Doch ob nun im Flugzeug mit der Flugnummer LH 198 in Anlehnung an das Jahr der Vereinsgründung oder eine neunstündige Anreise mit siebenmaligem Umsteigen in den Regionalzügen der deutschen Bahn – Konformität und Langeweile konnte man noch nie mit dem Naturell der Lilien-Fans in Verbindung bringen. Doch was heißt schon der Lilien-Fan? Die Fanszene ist vielfältig, nicht typisierbar und sicher nicht immer einer Meinung, doch spätestens beim kleinsten gemeinsamen Nenner – der Liebe zum Verein – gibt es keine zwei Meinungen mehr.

Yannick Lebherz

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