
© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd
Landeshauptstadt: Mit den „Gefährten der Nacht“ durch Storkow
Nächtliche Stadtführungen bieten Einblick in die mittelalterliche Geschichte der Stadt
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Storkow - Die mittelalterliche Burg ist der ganze Stolz der Stadt Storkow im Landkreis Oder-Spree. Mittlerweile ist sie nicht mehr nur tagsüber ein Höhepunkt für Touristen, sondern auch nachts, in der sie zum Ausgangspunkt für Stadtführungen der besonderen Art wird. Als „Gefährten der Nacht“ tauchen Hobby-Darsteller während einer Tour immer wieder unvermittelt auf und lassen so die Geschichte lebendig werden.
Angeführt wird die Stadtführung von Nachtwächter Detlev Nutsch. Er trägt ein weißes Leinenhemd mit schwarzem Umhang, ein Barett mit einer Feder auf dem Kopf und die Hellebarde – eine Langaxt – in einer Hand. Nach Einbruch der Dunkelheit zieht er mit den Besuchern durch die historischen, engen Gassen mit dem holprigen Kopfsteinpflaster.
Als Stadtführer ist der 55-Jährige bei der nächtlichen Zeitreise nicht allein. Unterstützt wird er von den „Gefährten der Nacht“, die immer wieder überraschend auftauchen – in Torbögen mittelalterlicher Häuser, auf dem alten Marktplatz, in Fenstern verlassener Gebäude oder einfach am Wegesrand.
Die etwa 30 Vereinsmitglieder schlüpfen als Laiendarsteller in die Rolle historischer Figuren, spielen Mägde und Edelleute, Wächter und Bettler, Kastellan, Zeidler oder Kräuterfrau. „So etwas wie in Storkow gibt es deutschlandweit nirgendwo“, sagt Nutsch. Die Touren hätten sich seit dem vergangenen Jahr zu einem Publikumsrenner entwickelt.
Neben Moritaten und Liedern gibt es zur Stärkung zwischendurch ein Gläschen Schnaps, einen Apfel oder Süßes. Bei der Tour erfahren die Teilnehmer nicht nur, dass der ehemalige Storkower Bürgermeister Heinrich Ludwig Tschech 1844 zum Kaiser-Attentäter wurde, wozu es im Mittelalter eigentlich Brandgassen gab oder wie es um die Abfallentsorgung stand. Auch gruselige Details, wie das von einer Magd, die in einen Sack gesteckt und im Storkower Mühlenfließ ertränkt worden war, werden nicht ausgelassen. „Das sind keine Schauermärchen, sondern Tatsachen aus der Geschichte“, betont Nutsch.
Dass er zum Nachtwächter wurde, war eher ein Zufall. Der gebürtige Berliner, der Mitte der 90er Jahre mit seiner Familie nach Storkow gezogen war, schlüpfte erstmals bei der langen Lesenacht der Schulklasse seines Sohnes vor zwei Jahren in diese Rolle. „Auf dem Programm stand auch eine Nachtwanderung. Die Schüler waren zu alt für Spuk und Gespenster. Also besorgte ich mir in der Storkower Touristeninfo Material zur Stadtgeschichte und führte die Mädchen und Jungen herum.“ Um stilecht zu wirken, kostümierte er sich mit langem Ledermantel, breitem Zimmermanns-Hut, Laterne und Stock. „Die Jugendlichen waren begeistert“, erinnert sich der Geschäftsmann. Nach den Feierlichkeiten zum 800-jährigen Stadtjubiläum 2009 schaltete er eine Zeitungsannonce und suchte Mitstreiter mit „Lust am Mittelalter“. Die, die sich dann bei ihm meldeten, waren meist schon im großen Festumzug zum Stadtjubiläum in historische Kostüme geschlüpft und hatten dabei offenbar Lust bekommen, das künftig häufiger zu tun. Die nächsten organisierten Wanderungen mit den „Gefährten der Nacht“ gibt es am 3. und 24. Juni. Bernd Kluge
www.gefaehrten-der-nacht.de
Bernd Kluge
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