Aus dem GERICHTSSAAL: Mit der Wurst an der Kasse vorbei Pole wegen Diebstahls zu Geldstrafe verurteilt
„Hat er etwas zu trinken dabei?“, fragt die Vorsitzende, besorgt um das Wohl des Angeklagten.
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„Hat er etwas zu trinken dabei?“, fragt die Vorsitzende, besorgt um das Wohl des Angeklagten. „Es kann noch etwas dauern.“ – „Ja, Bier. Aber das geht gar nicht“, pariert einer der beiden Polizeibeamten. Wie zur Bestätigung klirrt es im gelben Plastikbeutel des Polen, der im aufgeheizten Flur des Amtsgerichts auf sein beschleunigtes Verfahren wartet. Am Vortag wurde Pjotr. P.* (48) bei „Kaiser’s“ in der Brandenburger Straße erwischt, als er Wurst im Wert von 6,50 Euro betont dreist an der Kasse vorbeischmuggeln wollte. Die anschließende Nacht verbrachte er im Polizeigewahrsam. Nun hockt der Mann im zerknautschten grünen T-Shirt und ausgeleierten Jeans auf einer der Sitzbänke, bewacht von der Staatsgewalt.
„Können Sie mir folgen?“, vergewissert sich die Richterin zu Verhandlungsbeginn. Pjotr. P. wirkt abwesend, erklärt dann aber, er wisse genau, wo er sich befinde und warum. „Ich habe gestohlen“, nuschelt er. „Das ist in Deutschland genauso verboten wie in Ihrem Land“, stellt die Vorsitzende klar. Die Staatsanwaltschaft betont das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, zumal der Pole bereits am 10. Juli beim Zigarettendiebstahl erwischt worden war. Die Quittung für sein Tun: eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je fünf Euro.
Eigentlich sei er nach Potsdam gekommen, um auf dem Bau zu arbeiten, berichtet der leicht ungepflegt wirkende Mann. „Zigeuner“ hätten ihn in die Bundesrepublik gelotst, dann aber einfach sitzen gelassen. Jetzt versuche er, sich etwas Geld durch das Sammeln von Pfandflaschen zu verdienen. „Ich bin zum ersten Mal in Deutschland und weiß gar nicht, wie es hier läuft“, will er dem Gericht weismachen.
Es gebe eine ganz einfache Lösung für sein Problem, erklärt die Amtsrichterin. „Fahren Sie auf schnellstem Weg wieder nach Hause. Das Geld, das Sie durch den Verkauf der Pfandflaschen bekommen, reicht dicke für ein Busticket nach Michendorf. Auf dem Parkplatz der Raststätte finden Sie unter den Lkw-Fahrern bestimmt Landsleute, die Sie mit in die Heimat nehmen. “
Die Polizeibeamten fahren ohne ihren „Logiergast“ zur Dienststelle zurück. Pjotr. P. sitzt eine Geldstrafe von 150 Euro im Nacken. Bezahlt er sie nicht, drohen ihm 30 Tage hinter Gittern. (*Name geändert.) Hoga
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