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Landeshauptstadt: Mit einer 100-Jährigen auf Tour

Jubiläum der Potsdamer Elektrischen gefeiert/ Veteranin wurde in Mariazell ausgeborgt

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Es sei ein zu ehrgeiziges Ziel gewesen, meinte Birgit Kofer vom Verein Historische Straßenbahn Potsdam, bis zum Jubiläum „100 Jahre Elektrische“ Potsdams älteste Tram aus dem Jahre 1907 wieder aufzubauen. Bisher hat man es nur zu einem blitzblanken historischen Fahrgestell und einer elektrischen Schaltung gebracht. Aber auch das ist schon eine reife Leistung, denn die restaurierten Teile sind 100 000 Euro wert. Nun soll fleißig weiter gesammelt werden, um für 140 000 Euro von Fachleuten im österreichischen Mariazell den Holzaufbau herstellen zu lassen. Die Mariazeller sind darin geübt und haben ihn nicht nur für ihre eigene Tram von 1906 angefertigt, sondern für viele andere Kunden. Für das Potsdamer Jubiläum liehen sie erst einmal den eigenen Oldtimer aus. Zwei andere kamen aus Magdeburg und Rostock, drei steuerte der ViP zum Korso am Sonntag bei.

Doch egal, ob aus dem eigenen Stall oder auf Tiefladern herantransportiert, unter blauem Himmel hatten sich Tausende Potsdamer und Gäste der Stadt versammelt, um eine Rundfahrt in den Vorgängern von Tatra und Combino zu unternehmen. Am Nauener Tor drückten Oberbürgermeister Jann Jakobs und Verkehrsbetriebschef Martin Weis den Startknopf in der Mariazeller Tram. Danach herrschte Volksfeststimmung. Da mussten die ViP- Ordner schon immer mal wieder die Schaulustigen von den Gleisen scheuchen, um den regulären Verkehr zu sichern. Dafür konnten die Kinder völlig unbeschwert vor der Wilhelmgalerie zwischen den Gleisen einer Modelleisenbahn herumstaksen und im Atrium vor einem Magdeburger Straßenbahnmodell halt machen. Manch Papa hatte da große Mühe, seinen Sprössling zu überzeugen, dass nicht sofort eine Potsdamer Abart im Kinderzimmer entstehen könne.

Ganz andere Erinnerungen frischte Ingrid Wendeleit auf. Sie hatte sich als Schülerin Ende der 50er Jahre bei der Straßenbahn als Schaffnerin verdingt und damit zwischen 300 und 400 DDR-Mark verdient. Die sollten sich in einen bauschigen Petticoat und ein paar schicke Schuhe verwandeln.

Die stolze alte Dame „Elektrische“ hatte es übrigens nicht leicht, in Potsdam ans Netz zu gehen. Zunächst beharrten die Preußenkönige auf Pferdeantrieb, weil die Oberleitungen das architektonische Gesamtensemble stören könnten. Forscher auf dem Telegrafenberg fürchteten zudem, der Strom in den Fahrdrähten würde ihre Messinstrumente beeinflussen. Deshalb war Potsdam spät dran mit der Umstellung von PS auf Strom. In Berlin fuhr die Elektrische schon 16 Jahre früher, nämlich ab 16. Mai 1881. Es war die erste der Welt. In Potsdam verkehrte die erste Elektrische von Bahnhof Charlottenburg bis Hauptbahnhof auf einer 7,5 km langen Strecke. Heute hat das Straßenbahnnetz rund 30 km.

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