Landeshauptstadt: Mit eiserner Disziplin durchgeboxt
Bei der Haushaltsdebatte im Finanzausschuss setzte sich eine Koalition aus SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und BürgerBündnis durch
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Bei der Haushaltsdebatte im Finanzausschuss setzte sich eine Koalition aus SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und BürgerBündnis durch Von Michael Erbach Irgendwann wurde der Finanzausschussvorsitzende Peter Kaminskis (PDS) von der eigenen Fraktion ermahnt, bitte doch – so wie es vorgeschrieben sei – zuerst immer den Antrag mit den weitestgehenden Konsequenzen abstimmen zu lassen. „Da müsste ich ja dann jedes Mal zweimal abstimmen lassen“, reagierte Kaminski etwas genervt. Er wie auch seine Fraktionskollegen waren überhaupt ziemlich frustriert – die Sitzung des Ausschusses zum Haushalt 2004 am Dienstagabend verlief nämlich gar nicht so, wie es sich die PDS vorgestellt hatte. Die Weichen dazu waren erst am Montagabend gestellt worden, als sich SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und BürgerBündnis auf ein gemeinsames Antragspapier zum Haushalt verständigten. Dabei, so Mike Schubert (SPD), „haben alle zurückstecken müssen“. Doch der gemeinsam erarbeitetete Kompromiss wurde im Ausschuss mit eiserner Disziplin durchgeboxt. Die sechs Vertreter der vier Fraktionen schmetterten alle Anträge der PDS ab – lediglich der Vorschlag von Alexander Steinicke, 1500 Euro für die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Spina bifida in den Haushalt einzustellen, fand bei der Vierer-Koalition Zustimmung. Ansonsten hieß es zu allen PDS-Anträgen Nein: Nein zum verbilligten Sozialticket, Nein zur Streichung des städtischen Eigenanteils bei der Wiederherstellung des Stadtkanals, Nein zur Reduzierung der Mittel für Maßnahmen auf dem Alten Markt und zum Umbau des Verkehrsknotens Ebert-Straße/Breite Straße, Nein zur Aufstockung der Mittel für den behindertengerechten Umbau von Haltestellen. Hingegen gingen alle Anträge des gemeinsamen Papiers glatt durch. Deshalb ließ Kaminski – eigentlich vorschriftswidrig – immer wieder nur über den jeweiligen Antrag von SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und BürgerBündnis abstimmen, egal, ob dessen Inhalt über oder unter den finanziellen Forderungen anderer Fraktionen lag. So ging es schneller, die anderen hatten ja ohnehin keine Chance, muss er sich gedacht haben. Nur einmal musste eine Abstimmung wiederholt werden, weil Schubert seine Hand zu spät hob und beinahe in die Ablehnerfront der PDS geraten war. Trost für die PDS: Einige ihrer Anträge fanden sich zumindest modifiziert in dem gemeinsamen Antragspapier von SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und BürgerBündnis wieder. So hat der absolute Schwerpunkt bei den Investitionen im Haushalt 2004, nämlich die Sanierung von Schulen und Kitas, eine breite Basis von wahrscheinlich allen Stadtverordneten. Ebenso gibt es weitgehende Einigkeit, bei den Kultureinrichtungen nicht wie geplant zu kürzen und die vorgesehene Sportstättennutzungsgebühr nicht umzusetzen. Nur: Bei den konkreten Zahlen und den Deckungsquellen setzten sich allein die vier Fraktionen durch – gegen die PDS. Null-Summen-Spiel Finanzbeigeordneter Burkhard Exner ließ die Vierer-Koalition gelassen gewähren – offenbar wusste er, was am Ende herauskommen sollte. Denn die von den sechs Stadtverordneten durchgesetzten Veränderungen erwiesen sich als Null-Summen-Spiel, das heißt, das anvisierte strukturelle Defizit von 29,82 Millionen Euro würde dadurch laut Exner exakt eingehalten – wenn es am kommenden Mittwoch eine Mehrheit für den gemeinsamen Antrag gibt. Doch auch die Verwaltung war nicht untätig gewesen, brachte ebenfalls einen Änderungsantrag zum Haushalt ein, der den Ausschuss ohne Gegenstimmen passierte. Wie Exner erklärte, würden die meisten Änderungen aus Umschichtungen „neutraler Art“ resultieren. So wurde auch der Repräsentationsfonds von Oberbürgermeister Jann Jakobs um 2 000 auf 18 000 Euro reduziert, zugunsten von Projekten der Sicherheitskonferenz. Selbstverständlich wurden an dieser Stelle die Anträge von PDS (Reduzierung um 5 000 Euro) und Die Andere (Reduzierung um 10 000 Euro) abgeschmettert. Die PDS-Vertreter unterdrückten ihren Unmut über die überraschende Front der Ablehnung zumeist. Nur einmal gab es echte Gegenwehr. Siegmar Krause wertete die Ablehnung des PDS-Vorschlages, 10 000 Euro für die Erarbeitung eines Mietspiegels in den Haushalt einzustellen und stattdessen 5 000 Euro zu geben, als Verstoß gegen einen entsprechenden Stadtverordnetenbeschluss. Schubert erklärte daraufhin, dass alle Beschlüsse des Stadtparlaments unter Haushaltsvorbehalt stehen würden, die Kürzung sei daher rechtmäßig. Krause daraufhin: „Mit diesem Geld kann kein vernünftiger Mietspiegel erarbeitet werden. Das ist unseriös.“ Kultur muss weniger sparen Am Ende wurde der Haushaltsentwurf für 2004 mit den beschlossenen Änderungen mit sechs Ja-Stimmen bei drei PDS-Enthaltungen angenommen. Das gleiche Ergebnis wurde bei der Abstimmung über das Haushaltssicherungskonzept bis 2007 erreicht. Dort sind – entgegen dem Entwurf – gravierende Änderungen vorgesehen. So müssen das Hans Otto Theater und die Kammerakademie in den kommenden Jahren immer noch kräftig sparen, jedoch nicht im vorgesehenen Maße. Das Hans Otto Theater zum Beispiel muss 2005 nicht mit 753 900 Euro weniger gegenüber 2002 auskommen, sondern „nur“ 478 900 Euro sparen - die Einsparsumme wurde um 275 000 Euro gesenkt. Ob sich dadurch das Musiktheater, wie von Exner erklärt, erhalten lässt, bleibt fraglich. Ebenso gibt es Fragen nach dem Schicksal der Singakademie. Den Betriebskostenzuschüssen für Freie Träger wurden nämlich auf Antrag der vier Haushalts-Koalitionäre 30 000 Euro entnommen – zugunsten der Stadtteilkulturarbeit des Bürgerhauses Am Schlaatz. Dort waren Befürchtungen laut geworden, kein Geld mehr zu bekommen. Jetzt ist das Geld fest etatisiert. Die Singakademie hatte sich jedoch nach der letzten Sitzung des Kulturausschusses noch Hoffnung auf einen Teil dieses Geldes machen können. Diese Frage zu klären, bleibt nicht viel Zeit. Am Mittwoch sollen die Stadtverordneten über den Haushalt 2004 entscheiden – das ist auch die letzte Chance für Veränderungen. Die Vierer-Koalition wird dann wohl zusammen halten. Aber ganz sicher sind sich die Abstimmungssieger aus dem Finanzausschuss nicht, gerade wegen der nicht erfüllten Wünsche so mancher Fraktionsmitglieder. Ein SPD-Stadtverordneter: „Hoffentlich wird nicht geheim abgestimmt!“
Michael Erbach
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