MEIN WENDEHerbst: Mit Fibrex im Bett
JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9.
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JAHRE
MAUERFALL
Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9. November fällt die Mauer. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Frau Löber. Die 68-jährige Rentnerin möchte ihren Vornamen nicht in der Zeitung lesen.
Eine hartnäckige Grippe plagte die Leiterin des Studentenwohnheims in der Breiten Straße, damals noch Wilhelm-Külz-Straße, am Abend des 9. November 1989: „Ich fühlte mich nicht gut und ging zeitig zu Bett – mit Fibrex-Tabletten und ohne Fernsehen“, erinnert sich die Rentnerin. „Die Tabletten haben gewirkt und ich habe geschlafen“, berichtet sie. Bis sie nachts von ungewöhnlichem Krach geweckt wurde: „Die Studenten sprangen die Treppen herunter, dass es nur so dröhnte und die Wände gewackelt haben“, erzählt die heute 68-Jährige. Aufgestanden sei sie aber trotzdem nicht: „Der Hausmeister war ja auch noch da.“ Als sie sich am nächsten Tag nach den Gründen für den nächtlichen Tumult erkundigte, erntete die Heimleiterin erst Unverständnis, dann Lacher: „Was, das wissen Sie noch nicht? Na, die sind alle auf den Ku’damm!“, habe der Hausmeister berichtet. Glauben konnte sie das erstmal nicht. „Einen Monat vorher wäre ich noch in den Knast gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass Studenten ’rüber gehen“, erzählt die Rentnerin. So nämlich sei es einem anderen Potsdamer Wohnheimleiter ergangen. An diesem November-Freitag im Jahr 1989 aber fragt niemand mehr nach den Studenten, der Unterricht an der Ingenieurschule in der Seestraße fiel einfach aus: „Die waren alle weg.“ Löber fuhr erst etliche Wochen später zum ersten Mal selbst über die Grenze. Gemeinsam mit ihrer Mutter ging es aus deren Heimat im thüringischen Leinefelde nach Göttingen. Dort habe sie sich vom Begrüßungsgeld ein Sicherheitsschloss gekauft, erinnert sich die Potsdamerin: „Sowie die Grenzen offen waren, gab es in Leinefelde eine richtige Einbruchsserie.“ Bis 1994 arbeitete sie noch als Wohnheimleiterin, dann wurde die Ingenieurschule am Ufer des Heiligen Sees abgewickelt. JaHa
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