Von Nicola Klusemann: Mit Haifischen auf Besucherfang
In der Biosphäre ist viel Gekreuch und Gefleuch – und ein geschütztes Heim für kranke und geschundene Tiere
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Gnadenhof Biosphäre: Blind dümpelt der Kugelfisch in der leichten Strömung des Aquariums und schnappt Wasser. Manchmal ist in dem Schluck Nass eine Leckerei. Die urzeitliche Gestalt grinst. In heimatlichen Gewässern wäre der silber-schwarz gefleckte Fisch schon längst Beute anderer Seebewohner geworden. In Potsdams Tropenwelt können Kugelfische lange leben. „Auch alte, schwache Tiere haben ihre Daseinsberechtigung“, sagt Tierpfleger Lothar Moos. Außerdem sei der Kugelfisch trotz milchigem Schleier über den einst wasserblauen Augen Publikumsliebling.
Diesen Rang könnte ihm die neue Attraktion allerdings streitig machen. Noch im Verborgenen der winkligen Versorgungsgänge der Biosphäre wachsen derzeit zwei Ammenhaie heran. Hinter einer bräunlichen Membran, die an schroffem Zierfels klebt, ist schon Leben zu sehen. Die Haifischeier alleine könnten der tropischen Welt im Glashaus ersehnte Besucherströme bescheren, sagt Eckhard Schaaf, Geschäftsführer der derzeitigen Biosphärenbetreibergesellschaft. Tierpfleger Moos aber hat den Raubfischembryos Ruhe verordnet. „In diesem Zustand überstehen sie weder Veränderungen noch Aufregung“, erklärt der Fachmann. „Da höre ich natürlich drauf“, sagt Schaaf. Wenn die Haie in wenigen Wochen schlüpfen, wird ihnen ein 1000-Liter-Becken in die Tiefseeforscherstation am Grunde des Biosphärenteichs gebaut. Hier bleiben sie, bis sie in drei, vier Jahren zu groß geworden sind. „Dann geben wir sie an einen Zoo ab“, sagt Lothar Moos.
Als die Biosphäre vor sieben Jahren als Buga-Halle startete, kreuchte und fleuchte es längst nicht in dem Maße wie heute. „Für mich gehören Pflanzen und Tiere als Natureinheit unbedingt zusammen“, sagt der Tierpfleger. Auch wenn die meisten seiner Pfleglinge ihr Dasein hinter Glas fristen. Inzwischen gibt es 43 Terrarien und Aquarien in der Tropenwelt. Zurzeit wird auch das Foyer des 7000 Quadratmeter zum Ausstellungsraum umgebaut. Aus Hallenperspektive gegenüber der Unterwasserwelt gelegen werden in mehreren gläsernen Kästen Wüstentiere gezeigt. Die 15 mongolischen Rennmäuse haben bereits Quartier bezogen und bauen aus den Sägespänen fleißig Nester.
Freien Flug haben die Nymphensittiche und Finken in der immer grünen Halle. Wie sie kommen auch die anderen Vögel wie Fasane, Enten und Hühner aus einer Auffangstation. „Zumeist beschlagnahmte oder abgegebene Tiere, die es hier allemal besser haben, als im Käfig“, sagt Lothar Moos. Nicht immer aber sind die Tiere für die Freiheit dankbar. So hätten sie auf Wunsch der Pflanzenbetreuer ein Chamäleon auf die Mangrove gesetzt. Das Reptil sollte den im Wasser wurzelden Baum befruchten. Weil es aber dem wasserscheuen Wurmzüngler bei den künstlichen Gewittern regelmäßig auf seine schuppige Haut regnete, verzog der sich auf ein trockenes Plätzchen – mittlerweile wieder hinter Glas und als Teil der neuen Wüstenausstellung. Mit zwei weiteren Pflegern betreut Lothar Moos die Tiere in dem künstlich errichteten Biotop sechs Tage die Woche. Ähnlich aufwendig ist auch der Erhalt der üppigen Pflanzenwelt. Die Beregnungsanlage, die über ein an der Decke angebrachtes Rohrsystem die Gehölze besprüht, reiche als Bewässerung nicht aus, sagt Erika Urbich, berentete Gartenmeisterin und botanische Beraterin in der Biosphäre. Die zum Teil großblättrigen Pflanzen nehmen den Bodendeckern das Wasser weg. Auch die „Hanglagen“ der Orangerie bereiteten Probleme: Oben sei zu wenig Wasser, unten staut es sich. Es müsse deshalb von Hand nachgetränkt werden, womit man auch zu Zweit einige Stunden beschäftigt sei. Die Beraterin aus dem Botanischen Garten der Universität Potsdam hatte damals den Pflanzenbestand aufgenommen, als die Buga-Halle an ihren ersten Nachnutzer übergeben worden war. „Seitdem sind viele Pflanzen dazugekommen.“ Darunter auch Geschenke von Privatleuten, denen die exotischen Pflanzen daheim zu groß wurden. Manche der ehemaligen Besitzer kämen sogar regelmäßig, um sich über den Zustand ihrer grünen Lieblinge zu erkundigen. Die sehen zum Teil besser aus als in der Natur, wo sie Wetterunbilden ausgesetzt seien oder von Tieren angefressen würden, sagt die Botanikerin. Sie selbst freut sich demnächst auf die Blüte des Amorphosphallus, die sich in den kommenden zwei Wochen entfalten soll. „Stinkwurz“, nennt der Tierpfleger sie spöttisch. Tatsächlich rieche der unter dem deutschen Namen Teufelszunge bekannte Blütenkelch nach Aas. Damit würden Fliegen angelockt, die die Pflanze bestäuben – die optimale Symbiose von Flora und Fauna.
Nicola Klusemann
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