Landeshauptstadt: Mit harten Bandagen
In Potsdam-Eiche ist der Ortsbürgermeister in einen Nachbarschaftsstreit verwickelt
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In Potsdam-Eiche ist der Ortsbürgermeister in einen Nachbarschaftsstreit verwickelt Von Erhart Hohenstein Eiche - Im Ortsteil Eiche sorgt ein Nachbarschaftsstreit für Gesprächsstoff. Eine der Parteien ist die Familie des Ortsbürgermeisters Andreas Klemund (SPD). Seine Frau Simone hatte Anfang 2003 von der Familie Schesings in der Lindstedter Straße 13 B ein Grundstück erworben, auf dem inzwischen ein Einfamilienhaus steht. Bis April dieses Jahres herrschte Einvernehmen zwischen den Parteien, Frau Schesing stellte Klemund gegen Bezahlung Strom und Wasser für den Bau zur Verfügung. Auf einen Teil des Geldes warte sie heute noch, sagt sie. Dann aber begannen die Streitigkeiten. Die Schesings und Manfred Woithe als Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstücks werfen dem Ortsbürgermeister vor, drei Grenzsteine überbaut und einen entfernt zu haben. Klemund sieht dafür aber nicht sich, sondern die Baufirmen in der Verantwortung. Er gab eine Neuvermessung des Grundstücks in Auftrag. Die Nachbarn sind der Meinung, Klemund wolle ihnen „neue Grenzen diktieren“. Der Ortsbürgermeister hält dagegen, er habe keine Veranlassung, an den von einem amtlich zugelassenen Vermesser ermittelten Daten zu zweifeln. Woithe bleibt aber dabei, der neu errichtete Metallzaun verlaufe teilweise über sein Grundstück. Schesing erklärt, der Bauherr habe die Nachbarn nicht wie vorgeschrieben 14 Tage vorher über die Aufstellung informiert. Außerdem sei der Zaun zu hoch und die dahinter gepflanzte Hecke stehe zu dicht an der Grenze. Damit würde Nachbarschaftsrecht verletzt. Als die Einfriedung gebaut wurde, warf die Baufirma Woithes hölzernen Scherengitterzaun um und entsorgte den Aushub auf dessen Blumen- und Zwiebelbeete. Die Pfeiler wurden so einbetoniert, dass zur Seite der Nachbarn hässliche Betonklumpen aus der Erde ragen. Auch hier berief sich Klemund auf die Verantwortung der Baufirma. Die hat sich inzwischen bei Woithe entschuldigt, auf die geforderte Entschädigung von 500 Euro wartete der Rentner jedoch bisher vergebens. Heiß gestritten wird auch um eine alte Stützmauer. Nach Ansicht von Andreas Schesing befindet sie sich nahezu vollständig auf dem Grundstück seines Sohnes Matthias, des Eigentümers, den er im Nachbarschaftsstreit vertritt. Der Widerpart geht aber davon aus, dass die Mauer auf der Grundstücksgrenze verläuft und somit beide Seiten zur Unterhaltung beizutragen haben. Auch hier beruft sich Klemund auf die Ergebnisse der Vermessung. Inzwischen sind zwei der drei Grenzsteine wieder freigelegt. Am Standort des entfernten tauchte eines Morgens ein rot markierter Holzpfeiler auf. „Da müssen wohl nachts Heinzelmännchen am Werk gewesen sein, um die Klemunds vor einer Strafe zu bewahren“, kommentiert Andreas Schesing sarkastisch. Gespräche gibt es mittlerweile zwischen den Parteien nicht mehr. Sie verkehren nur noch über ihre Anwälte und kämpfen mit harten Bandagen. Gegen die Klemunds liegt bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen „Urkundenunterdrückung“ vor – mit den Urkunden sind die Grenzsteine gemeint. Die Kripo hat sich schon umgesehen. Gegen einen Bußgeldbescheid hat der Ortsbürgermeister Widerspruch eingelegt. Andererseits erschien auf Betreiben Klemunds bei Woithe die Bauaufsicht, weil er den alten Bungalow, in dem er wohnt, 1983 „schwarz“ errichtet haben soll. Der Rentner hatte die mehr als 20 Jahre alte Baugenehmigung aber aufbewahrt. Auch den Vorwurf, in seinem Garten einsehbar „uriniert“ zu haben, konnte er entkräften. Die „Nachbarschaft Schesing – Woithe - andere“ versucht, die Rechtmäßigkeit der Gestaltung des Außengeländes um Klemunds Haus überhaupt in Frage zu stellen. Es gebe keine korrekte Bauplanung und das Gelände sei nicht ordnungsgemäß abgenommen worden. Sie erwirkte eine Veränderungssperre und einen Baustopp, der jedoch wieder aufgehoben wurde. Daraufhin verlangten Schesing/Woithe Einsicht in die Bauakten, die ihnen aber vom Bereich Bauordnung als untere Bauaufsichtsbehörde versagt wurde. Die Nachbarschaft erreichte nun ein Gespräch mit der Baubeigeordneten Elke von Kuick-Frenz und Stadtplanungschef Andreas Götzmann. Laut Schesing wurde ihm dabei mitgeteilt, dass die Rechtmäßigkeit der Gestaltung der Außenanlagen gegenwärtig untersucht wird. Akteneinsicht wurde in Aussicht gestellt. Auch wenn Klemund eine Baugenehmigung erhalte, müsse er das Nachbarschaftsrecht einhalten. Andreas Schesing mutmaßt, dass sich die Gegenpartei unerlaubt Einsicht in die Vorgänge um das Grundstück seines Sohnes verschafft hat, das zwangsversteigert werden soll. Klemund habe einen Interessenten an der Hand, der kaufen wolle. Letzteres bestätigte der Ortsbürgermeister gegenüber PNN. Es könne ihm schließlich nach seinen Erfahrungen mit Schesing und Woithe nicht gleichgültig sein, wen er als neuen Nachbarn bekommt. Der im Hauptberuf als Projektentwickler tätige Ortsbürgermeister, weist alle Vorwürfe als Verleumdung zurück. Eine Verhandlung vor der Schiedskommission brachte die Streitenden nicht viel weiter. Die Sitzung wurde abgebrochen, weil der Ortsbürgermeister einen dienstlichen Termin hatte. Erfüllt hat er seine Zusagen bisher nicht. „Neuer Stress ist vorprogrammiert“, blickt Schesing voraus. Andreas Klemund befürchtet, dass ihn die Gegenpartei „politisch beschädigen“ wolle. Dem widersprechen Woithe und die Schesings nicht. Der Streit werfe die Frage auf, ob er als Ortsbürgermeister geeignet sei. Wer selbstherrlich und uneinsichtig seine privaten Ziele vertrete, tauge nicht als Interessenvertreter der Einwohnerschaft. Für Klemund, der Mitarbeiter des Nachwende-Regierungsbeauftragten und spätereren Bauministers Jochen Wolf und Landesvorsitzender der Jusos war, könnte die Auseinandersetzung zum Stolperstein auf dem Weg zu einer neuen politischen Karriere werden.
Erhart Hohenstein
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