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Sport: Mit Lilly zum Medaillenkampf
Die Potsdamer Rennkanutin Franziska Weber will in der kommenden Woche auf dem Dorney Lake im VIERERKAJAK und im ZWEIERKAJAK zu Edelmetall paddeln – möglichst zu goldenem
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Aus Unzufriedenheit wechselte sie einst von der Matte auf das Wasser, und das erwies sich als Glücksfall für Franziska Weber. „Als Kind war ich Judoka beim UJKC Potsdam. Da bin ich allerdings immer nur Dritte geworden, und weil ich bei einem Familienurlaub in Belgien Spaß am Paddeln fand, habe ich es 1999 beim Kanu- Club versucht. Anfangs bin ich oft ins Wasser gefallen, da war auch nicht an Erfolge zu denken. Aber ich habe mich durchgebissen“, sagt die Rennkanutin des KC im OSC Potsdam und freut sich: „Und nun werde ich erstmals bei den Olympischen Spielen starten!“
Auf dem Olympia-Revier bei Windsor wird Weber am kommenden Montag gemeinsam mit ihrer Klubkollegin Katrin Wagner-Augustin, Schlagfrau Carolin Leonhard aus Mannheim und Tina Dietze aus Leipzig den Vorlauf im Viererkajak über 500 Meter bestreiten, tags darauf mit Dietze auch den Vorlauf im Zweierkajak über den halben Kilometer. „Vom Zeitplan her ist das kein Problem“, glaubt die 23-Jährige, die mit beiden Booten zu Medaillen paddeln will. „Am liebsten hätten wir natürlich Gold“, gesteht Franziska Weber. „Wir wissen allerdings, dass das unheimlich schwer wird. Aber man kann ja nicht mit dem Ziel Silber an den Start gehen, weil man sich dann schon für schlagbar erklärt.“
Eine herbe Saison-Niederlage kassierten Franziska Weber und Tina Dietze im K2 auf den olympischen 500 Metern ausgerechnet bei den Europameisterschaften in Zagreb, als sich die Vizeweltmeisterinnen des Vorjahres mit Platz vier begnügen mussten. „Darüber haben wir uns selbst am meisten geärgert. Das war ein Warnschuss zur rechten Zeit, der zeigte, dass man nichts im Selbstlauf gewinnt“, erklärt die Potsdamerin, die mit Dietze zuvor die beiden Weltcups in Posen und Duisburg gewonnen hatte. Und Kajakdamen-Bundestrainer Jochen Zühlke aus Potsdam sagt: „Sie haben in Zagreb den Endlauf einfach vergeigt, weil sie den Übergang vom Start- zum Streckenschlag nicht schafften und so nicht auf die richtige Geschwindigkeit kamen. Aber besser, das passiert bei den EM als bei Olympia.“ Jetzt auf dem Dorney Lake sei vieles möglich. „Wenn alles auf den Punkt passt, können wir sowohl mit dem K4 als auch mit dem K2 gewinnen“, glaubt Zühlke, warnt aber zugleich: „Die anderen buddeln auch nicht nur im Sandkasten, sondern spielen ordentlich mit.“
Das wissen Franziska Weber und die anderen deutschen Kanutinnen natürlich. „Im Zweier müssen wir neben Ungarns Boot vor allem auch die aus Weißrussland, Polen und Österreich auf der Rechnung haben, außerdem gibt es immer ein Überraschungsboot. Und im Vierer dürften Ungarn und Weißrussland unsere stärksten Gegner sein. Wir schauen aber zuallererst auf unsere eigene Leistung“, erklärt Weber, die 2001 aus Eiche an die Potsdamer Sportschule wechselte, dort 2009 das Abitur machte und nun an der Fachhochschule Potsdam Bauingenieurwesen studiert. „Ich brauche diesen Ausgleich für den Kopf. Immer nur Sport wäre schrecklich langweilig für mich“, sagt die K2-Schlagfrau, die in ihrer Freizeit gern bäckt. Aktuelle Favoriten sind Erdbeer- Sekt- und Cuba-Libre-Torten.
Am morgigen Freitag fliegt die deutsche Kanu-Flotte vom letzten Trainingslager Duisburg aus nach Großbritannien. „Bei meinen ersten Olympischen Spielen will ich alles genießen“, erklärt Franziska Weber, die bei den WM 2010 mit Gold im nichtolympischen 1000-Meter-Einerkajak erstmals international ganz vorn gelandet war. „Man weiß gar nicht, worauf man sich zuerst freuen soll.“ Vor allem freut sie sich, London 2012 gemeinsam mit Tina Dietze bestreiten zu können, denn die beiden sind seit Jahren beste Freundinnen. „Als wir 2005 während eines Trainingslagers der Juniorinnen zufällig erstmals gemeinsam auf ein Zimmer kamen, haben wir beide sofort gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge liegen“, erinnert sich Dietze.
Seitdem sind die Sächsin und die ein Jahr jüngere Preußin ein Herz und eine Seele, wohnt Tina Dietze bei Trainingsaufenthalten in Potsdam wie selbstverständlich bei der Familie Franziska Webers, die erzählt: „Wir können privat und sportlich über alles ehrlich miteinander reden. Wir teilen beide das Motto: Lache, wenn es nicht zum Heulen reicht. Und wir haben immer gute Laune und viel Spaß.“
Wenn die beiden mit Katrin Wagner-Augustin und Carolin Leonhard im Viererkajak und tags darauf im Zweier um olympische Meriten paddeln, weiß Franziska Weber auf den Zuschauerrängen ihre Mutter Marion und ihren Freund Peter John, einen ehemaligen Rennkanuten, mit dem sie auch die Rückreise auf der MS „Deutschland“ von London nach Hamburg genießen will. Helfen sollen außerdem zahlreiche Maskottchen. „Die kleine Plüsch- Biene Lilly, die mir Tina mal schenkte, wird mit im Boot sein, während uns alle anderen Maskottchen vom Tisch in unserer Olympiaunterkunft aus unterstützen sollen“, verrät Weber. „Mit Glücksbringern sind wir gut bestückt, aber auf das Glück allein werden wir uns nicht verlassen.“
Der Viererkajak paddelt am 8. August auf dem Dorney Lake um den Olympiasieg, der Zweierkajak tags darauf. „Anschließend werden wir hoffentlich noch Zeit haben, um auch das richtige Olympische Dorf und die Wettkämpfe in London erleben zu können“, sagt Franziska Weber. Die olympischen Judo-Wettbewerbe werden dann schon lange beendet sein.
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