Landeshauptstadt: Mit links tanzen lernen
12 000 Männern und Frauen haben die „Linksfüßer“ bereits das Tanzen beigebracht. Im blauen und roten Saal des Logenhauses drehen sich Paare regelmäßig beim Tanzvergnügen
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Als Hip-Hopper altert man nicht. Zwar zählt man mit 30 Jahren schon zu den Jung-Senioren, doch bleibt man in dieser Kategorie sein Leben lang. Zumindest nach dem Regelwerk bei Tanzwettbewerben. Aber auch ohne Altersklasseneinteilung gilt: Tanzen hält jung. Und entgegen den gängigen Klischees, dass die Deutschen im Allgemeinen und die Männer im Besonderen Tanzmuffel seien, bebt im Potsdamer Logenhaus in der Kurfürstenstraße regelmäßig das Parkett: 1500 Tanzlustige drehen sich jeden Monat in den beiden Sälen des Hauses.
Zum Tanz bittet seit nunmehr zehn Jahren die Tanzschule „Linksfüßer“, die Martin Lehmann Ende 2003 gegründet hat. „Anfangs haben wir unsere Kurse in Gaststätten und Bürgerzentren angeboten“, sagt Tanzlehrerin Anne Päts. Seit 2007 ist das Logenhaus Domizil der „Linksfüßer“, was Päts auf einen „glücklichen Umstand“ zurückführt. Nachdem die Gaststätte im Erdgeschoss des repräsentativen Hauses – wieder einmal – dichtmachen musste, behielt die Tanzschul-Crew einfach die Schlüssel für den roten und blauen Saal im ersten Stockwerk. „Als der Eigentümer das mitbekam, war er zunächst wenig erfreut“, erinnert sich Päts. „Doch wir konnten ihn schnell überzeugen, dass eine Tanzschule die beste Nutzung für die beiden Säle ist.“
In der Tat: 12 000 Frauen und Männer aus Potsdam, Berlin und dem nahen Umland haben bei den „Linksfüßern“ tanzen gelernt. „Mit links“ - so das Motto der Tanzschule, was Päts auch gleich begründet: „Weil jeder tanzen kann und es wirklich nicht schwer ist.“ Häufig seien es Vorurteile wie fehlendes Rhythmusgefühl bei Männern, die zu der Meinung führten, dass Tanzen keinen Spaß mache. „Doch ist das am Ende der ersten Stunde widerlegt“, behauptet Päts. In jedem stecke ein Tänzer: Es brauche nur zehn Prozent an Bewegungsgefühl und 90 Prozent an Spaß. Selbst wer in der Disko an der Bar steht und sehnsüchtig oder neidisch das Treiben auf der Tanzfläche aus der Ferne beobachte, habe insgeheim den Wunsch zu tanzen, unterstellt Päts. Der ausgebildeten Tanzlehrerin bereite es immer wieder Vergnügen, zu sehen, wie schnell sich bei ihren Tanzschülern Aha-Erlebnisse und glückliche Momente einstellen. „Wenn die Frauen quietschend und vergnügt durch den Saal geführt werden, ist das Eis gebrochen“, sagt sie. Glücksbringer sind Walzer, Jive, Diskofox, Foxtrott und der Cha-Cha-Cha. Das sind die Tänze des Einstiegskurses der „Linksfüßer“. Wer auf den Geschmack gekommen ist und sich weiterdrehen möchte, kann auch die Rumba, den Tango oder die Samba lernen. Doch sind das Logenhaus sowie der Goldene Saal in der Posthofstraße nicht nur Tanzlernstätten. In den Sälen wird regelmäßig zum Tanzvergnügen aufgefordert. Fast jeden Samstag, so Päts, werde im roten oder blauen Saal getanzt. Jährlich werden acht bis zehn größere Bälle gefeiert – von Sommernächten über Mottopartys, Oktoberfeste bis zu Silvesterbällen. Ohnehin empfiehlt Päts, nach einem Tanzkurs regelmäßig das Tanzbein zu schwingen. „Die Wirkung eines Tanzkurses hält ein halbes Jahr“, sagt sie. Zwar verlerne man das Tanzen nie ganz, aber es falle schwerer, kommt man erst mal aus der Übung.
Zur Crew der Tanzschule zählen zehn Lehrer, die eine dreijährige Ausbildung des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbandes absolviert haben. „Neben Musiktheorie und Rhetorikschulung lernt man dort das Tanzen bis ins kleinste Detail“, sagt Päts.
Besonders gut kann das „Linksfüßer“ Sven Seeger. Der 40-Jährige ist dafür verantwortlich, dass in den Regalen der Tanzschule unzählige Pokale stehen. Der aus der Tanzschule hervorgegangene RokkaZ e.V. vereint mehr als 60 Hip-Hop-Tänzer, die zu den besten der Welt gehören und die nach den von Seeger entwickelten Choreografien regelmäßig bei Turnieren Preise gewinnen. Bei den Weltmeisterschaften im vergangenen April in Florida belegten die Potsdamer – insgesamt mit 60 Tänzern am Start – den siebten Platz. Seeger selbst ist zwölffacher HipHop-Weltmeister. Zu seinen Tanzkursen zählt auch ein zusätzliches Kraft- und Konditionstraining, um die Tanzschüler in Form zu bringen. Mitmachen kann dabei jeder: „Von Ü 30 bis Rollstuhl“. Denn Hip-Hop kennt kein Alter.
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