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Landeshauptstadt: Mit Luft gefedert durch Potsdam

Münchner Straßenbahn von Bombardier fährt zehn Tage Probe auf der Linie 96

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Münchner Straßenbahn von Bombardier fährt zehn Tage Probe auf der Linie 96 „Ich muss aus meinem Wiener Büro gar nicht aus dem Fenster schauen, um den “Ulf“ kommen zu sehen, ich spüre ihn schon an den Vibrationen“, sagt Bombardier-Präsident Walter Grawenhoff. „Ulf“, das ist die Typenbezeichnung der Siemens-Straßenbahn, die in der österreichischen Hauptstadt verkehrt. Vibrationen seien hingegen bei der Niederflur-Straßenbahn von Bombardier, die ab heute in Potsdam Probe fährt, minimal, verspricht Grawenhoff. Das Geheimnis: Das Fahrzeug ist luftgefedert. Die Probe aufs Exempel machten gestern Mittag Mitglieder des Aufsichtsrates des Potsdamer Verkehrsbetriebes ViP sowie Fachleute und Kommunalpolitiker auf einem ersten Probelauf vom ViP-Betriebshof bis zum Bahnhof Pirschheide und zurück. Bis zum 30. Juni können die Potsdamer diese Bahn kostenlos auf der Linie 96 benutzen. „München grüßt Potsdam“, so die Aufschrift auf dem blau-weißen Vierteiler. Zwanzig Bahnen vom Typ GT8 verkehren bereits in München, eine davon hat die Bayern-Metropole für zehn Tage an Potsdam ausgeliehen. Peter Schüler hat auf einem der Sperrholzsitze mit Buchen-Dekor Platz genommen. „Eigentlich kann ich mir das zeitlich gar nicht erlauben“, sagt der Rechtsanwalt. Aber der Bündnisgrüne Stadtverordnete ist gleichzeitig ViP-Aufsichtsratsmitglied und muss in dieser Eigenschaft über die Anschaffung von 19 neuen Straßenbahnen für Potsdam mit entscheiden. Ein Vierzig-Millionen-Euro-Geschäft. Die Sitzprobe jedenfalls fällt überzeugend aus. Nachdem ViP-Pilot Manfred Kienitz das Fahrzeug in Bewegung gesetzt hat, dringt kaum eine Erschütterung zum Fahrgast auf dem Holzsitz durch. Ruhig gleitet die GT 8 über die Potsdamer Schienen, fährt ausnahmsweise auf der linken Spur über die Straßenbrücke und das Nutheflüsschen: links und rechts Kleingärten mit halbreifen Kirschbäumen, Holunder in Vollblüte und prächtigen Rosenbüschen. Das typische Elektromotorsummen vermischt mit dem Rollgeräusch auf der Schiene – das kriegt auch Bombardier nicht weg, das ist technisch bedingt. Auf dem neuen Stück der Langen Brücke summieren sich jedoch Luftfederung und Flüsterschiene zu einem optimal leisen Fahrgeräusch. 36000 Kilometer hat die für Potsdam herausgeputzte GT 8 bereits zurückgelegt, berichtet Grawenhoff. Wo dieser Typ gebaut werde, will Peter Schüler wissen. „In Berlin, Nürnberg und Hennigsdorf, aber im Moment sind sie nicht in der Fertigung“. Sollte Bombardier den Auftrag bekommen, würde eine Teilfertigung in Hennigsdorf stattfinden, so der Präsident der „Light Rail Vehicles“-Abteilung von Bombardier. Risse wie sie bei den Siemens-Combinos in Potsdam auftraten, seien bei diesem Typ ausgeschlossen. „Unser Fahrzeug unterscheidet sich komplett vom Combino und Probleme, die bei Multigelenkfahrzeugen auftreten, kennen wir daher nicht“, sagt Grawenhoff. Das Grundgerüst bestehe aus einer Schweißkonstruktion, hier sei es geschweißtes Aluminium. Bombardier-Spezialität sei die Stahl-Leichtbauweise. Die Schweißkonstruktionen hätten die längste Lebensdauer. 30 Jahre und mehr müsse eine Straßenbahn ihren Dienst leisten können. Auf die Frage von Schüler, ob es sich nicht um einen veralteten Typ handele, dessen Konzept auf die Mitte der neunziger Jahre zurückgehe, antwortet Grawenhoff: „Es ist eine bewährte Bahn, die im Laufe der Jahre alle Optimierungen erfahren hat.“ Der Typ sei „absolut erprobt“, Kinderkrankheiten seien raus, böse Überraschungen ausgeschlossen. Auf der Rückfahrt dreht Manfred Kienitz etwas auf: Auf zirka fünfzig Stundenkilometer beschleunigt der 36,5 Meter lange Zug. „Die Straßenbahn hat Power, das merke ich beim Anfahren“, sagt Kienitz. Und: „Fast soviel Power wie beim Combino.“

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