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Herausforderung für die Fußsohlen. Nacktfüßig auf Tannenzapfen (l.) oder auf grobem Schotter. Barfusspfade sind immer gefragter.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd

Landeshauptstadt: Mit nackten Füßen über Stock und Stein

Barfußpfad bietet auf 750 Metern ein Natur- und Fußerlebnis / Barfußlaufen als Therapie gegen den „preußischen Stechschritt“

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Dannenwalde - Barfuß balanciert Bernd Herzog-Schlagk auf einem in die Wiese eingelassenem Stück Bahnschiene. Die dunkelblaue Jeans hat der 63-Jährige nach oben gekrempelt. Das Metall schmiegt sich angenehm glatt an seine Fußsohlen. Bereits seit 25 Jahren betreut das Gründungsmitglied des Vereins Fuss den 750 Meter langen Barfußpfad. Er liegt in einer hügeligen Landschaft vor dem alten Bahnhof im brandenburgischen Dannenwalde.

Etwa zehn Stationen sind auf dem ehemaligen DDR-Fußballplatz zu erkennen. Schilder weisen jeweils auf passende Attraktionen in der Umgebung und bieten nützliches Wissen rund um Fuß und Bewegung. „Wir wollen Reisende zum Verweilen einladen und den Barfußpfad mit Wanderwegen, Radwegen und Bahnhöfen vernetzen“, sagt der passionierte Barfußläufer und zeigt auf einen Stapel kräftiger Baumstümpfe. Wer dort nicht genug vom Holz bekomme, könne zum Waldmuseum nach Menz laufen. Das Schild weise den Weg. Herzog-Schlagk verjagt eine Mücke vor seinem sonnengebräunten Gesicht. Mit den rechten Zehen versucht er auf Pflastersteinen einen Metallring zu greifen und auf einen Pfahl zu stecken. Das trainiere die Fußbewegungen. Wer viel übe, könne sein Frühstück irgendwann mit den Füßen einnehmen, scherzt er.

Die Hälfte allen Unwohlseins rühre daher, dass die Menschen ihre Fußbewegung nicht schulten, zeigt sich der 63-Jährige überzeugt. „Schuld an den Rückenproblemen ist doch der preußische Stechschritt“, bei dem der Fuß von der Hacke über die Zehen abgerollt wird. Barfußläufer hingegen gingen auf den Vorderfüßen, genauso wie Kinder. Auf Waldwegen sei das besonders gesund, da der Untergrund für abwechslungsreiche Bewegungen sorge. Über raue Findlinge hinweg nähert sich der Naturfreund einer halbkreisförmigen Anlage. Harte und weiche Untergründe wechseln sich dort ab - Sand, Holzstreu, glatte Steine und Tannenzapfen sind dabei. „Wir haben in Händen und Füßen unterschiedliche Gefühle“, sagt Herzog-Schlagk und greift beim Durchlaufen in eine angrenzende Rinne mit den gleichen Materialien. Unter seinen Füßen verdrängt er den Sand und lässt gleichzeitig ein wenig durch seine Finger rieseln.

Vor einer zerbrochenen Scheibe, hinter der die Erdschichten eines Hügels zutage treten, bleibt der Senior nachdenklich stehen. Etwa alle 14 Tage schaut er auf dem Pfad nach dem Rechten. Leider gebe es immer wieder Vandalismus. Vor allem eine Mädchen-Gang habe in der Vergangenheit Randale gemacht. „Mädchen in ländlichen Regionen haben kaum eine Möglichkeit soziale Kontakte außerhalb ihrer Gruppe zu knüpfen“, erklärt er. Dann ginge schon einmal etwas kaputt, was 20 Ein-Euro-Jobber mühsam aufgebaut hätten.

Die meisten Besucher erfreuen sich aber an dem Barfußpfad. „Wir haben im Jahr etwa 1000 Rückmeldezettel“, sagt Herzog-Schlagk. Die meisten kreuzten die beiden obersten Kategorien „knorke“ und „schaffte“ an. Als Herausforderung und Genuss hätten vor allem Blinde den Pfad bewertet. Während Sehende immer noch versuchten, Gegenständen auszuweichen, müssten oder dürften Blinde diese ertragen, sagt er.

Auch die sächsische Gemeinde Mittelherwigsdorf hat einer Mitarbeiterin zufolge wegen ihres zweieinhalb Kilometer langen Barfußweges „laufend Anrufe“. Im August vergangenen Jahres war der Pfad durch Hochwasser zerstört worden. Seit der Wiedereröffnung Anfang Juli werde deutlich, wie beliebt der Weg inzwischen sei.

Vor dem Stück Bahnschiene klopft Herzog-Schlagk seine Füße ab. Der Sand um das Gleis fühlt sich nach den rauen Findlingen weicher an als vorher. Mit warmen Füßen schlüpft das Gründungsmitglied in seine Schuhe zurück - „Ich komme bald wieder“, sagt er und verschwindet mit einem Zwinkern in der hügeligen Landschaft.

Sandra Hottenrott

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