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Bernhard R. Kroeners Aufsatzband „Kriegerische Gewalt und militärische Präsenz in der Neuzeit“

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Es gehört zum guten Ton in Wissenschaftlerkreisen, ab einem gewissen Lebensalter runde Jubiläen von Kollegen mit entsprechenden Sonderveröffentlichungen zu würdigen. Doch nicht selten verkommen die üblichen Festschriften zum berüchtigten „Aufsatzgrab“. Viel Papier mit Spezialwissen bedruckt, nur leider liest es kaum jemand.

Zum 60. Geburtstag von Bernhard R. Kroener, seit 1996 Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, wurde im Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Band „Kriegerische Gewalt und militärische Präsenz in der Neuzeit“ vorgestellt. Zwölf Aufsätze von Bernhard R. Kroener sind hier zusammengefasst, in denen sich dessen breites Forschungsfeld widerspiegelt. Von seinen Kollegen und Mitarbeitern Ralf Pröve und Bruno Thoß ausgewählt, umreißen die Aufsätze mit „Historiographie“, „Sozialsystem Militär“, „Mobilisierung militärischer Ressourcen“ und „Kriegsmythen“ vier zentrale Forschungsfelder in der mittlerweile 25-jährigen wissenschaftlichen Arbeit Kroeners. Und wie Bernd Wegner, Professor an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, in seiner Rede zur Buchvorstellung sagte, spricht viel dafür, dass „Kriegerische Gewalt und militärische Präsenz in der Neuzeit“ nicht zum bekannten „Aufsatzgrab“ werden muss.

Kroeners militärgeschichtlichen Forschungen reichen vom 16. bis in das 20. Jahrhundert. Wobei der noch immer fälschlicherweise auf das reine Schlachtengeschehen reduzierte Begriff Militärgeschichte bei Kroener zu kurz greift. Wenn Kroener forscht, hat er immer den gesamtgesellschaftlichen Kontext, die Wechselwirkungen zwischen Militär und Bevölkerung und die ökonomischen und strukturellen Rahmenbedingungen im Blick. Nicht auf das Einzelgeschehen sondern auf das gesamte Panorama kommt es an. Mit diesem offenen Blick und wie es Wegner nannte, einer „gezügelten Leidenschaft“ für die Geschichte, hat Kroener neue Forschungsperspektiven eröffnet.

Beispielhaft dafür ist der Aufsatz „und ist der jammer nit zu beschreiben. Geschlechterbeziehungen und Überlebensstrategien in der Lagergesellschaft des Dreißigjährigen Krieges“, in dem sich Kroener mit der Rolle der Frauen in der Kriegssituation auseinandersetzt und an Bild- und Schriftquellen zeigt, wie stark diese in den militärischen Alltag integriert waren und gleichzeitig von dieser auf Gedeih und Verderb abhängig waren. Dass mittlerweile mehrere Monographien zu dieser Thematik vorliegen, ist auch ein Verdienst durch die frühe Forschung Kroeners.

Mit dem Blick fürs Wesentliche und analytischer Prägnanz zeichnet Kroener in „Nun, Volk, steh auf ...! Stalingrad und der totale Krieg 1942-1943“ auf nur wenigen Seiten die Grabenkämpfe der NS-Oberen um Personal und Einfluss nach, ohne dass diese dabei den Ernst der Lage an der Ostfront durch fehlende Soldaten erkennen wollten. Auch wenn zwischen den Themen der Aufsätze gelegentlich riesige Zeitsprünge liegen, zeigen sie in ihrer Gesamtheit, wie wichtig ein umfassendes und über Epochen hinausgehendes Verständnis von Geschichte ist, um derartige Analysen und Zusammenhänge herzustellen.

Einzig an den Aufsätzen über die Entwicklung der Militärgeschichte muss Kritik geübt werden, weil diese 1988 und 2000 verfasst wurden und die hier empfohlene weiterführende Literatur nicht wirklich dem aktuellen Forschungsstand entsprechen kann. Dirk Becker

Dirk Becker

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