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Im Plasma-Jet. Zwischen zwei Elektroden wird Gas zu Plasma aktiviert.

© ATB

Homepage: Mit Plasma Salat putzen

Potsdamer Agrarforscher testen „kaltes Plasma“ zur schonenden Entkeimung von Lebensmitteln

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Das Jahr 2012 ist vom Bundesforschungsministerium zum Themenjahr „Zukunftsprojekt Erde“ benannt worden. Nachhaltige Entwicklung steht im Fokus. In den PNN stellen Wissenschaftler verschiedener Potsdamer Institute ihre Arbeiten dazu vor.

Von Plasma hat fast jeder schon mal etwas gehört. Aber was ist das eigentlich und wie kann damit die Sicherheit von Lebensmitteln verbessert werden? Als Plasma werden ionisierte Gase bezeichnet, die einen hohen Anteil an freien Ladungsträgern wie Ionen und Elektronen enthalten. Plasma wird auch als sogenannter 4. Aggregatzustand (Feststoff, Flüssigkeit, Gas, Plasma) bezeichnet. Im gesamten Universum liegt mehr als 99 Prozent der Materie in Form von Plasma vor. Natürliches Plasma findet sich beispielsweise in der Sonne, dem Polarlicht oder bei Gewitterblitzen. Die heutige Technik ermöglicht es jedoch, ein Plasma auch weit unterhalb der Millionen Grad Celsius der Sonne oder den Tausenden Grad Celsius eines Blitzes zu generieren. An solchen „kalten“ Plasmen wird bereits intensiv geforscht. Neben der Anwendung im lichttechnischen Bereich, wie etwa bei Energiesparlampen und Plasmabildschirmen, bieten sich unter anderem auch Nutzungsmöglichkeiten im Feld der Plasmamedizin. Für eine Anwendung auf Lebensmittel sind besonders die antimikrobiellen Eigenschaften des Plasmas bei Temperaturen unterhalb von 40 Grad interessant, da somit Mikroorganismen inaktiviert werden könnten, ohne dass die Qualität bei den temperaturempfindlichen Produkten leidet.

Frisches Obst und Gemüse gilt als schmackhaft und gesund. Trotzdem kommt es immer wieder zu Erkrankungen von Verbrauchern nach dem Verzehr von frischem Gemüse, denn Gemüse wächst auf dem Feld oder im Gewächshaus, wo es mit dem Boden, mit Wasser, mit Tieren und mit Menschen in Berührung kommt. Auf diese Art und Weise ist es ganz einfach, dass schädliche Keime auf die Gemüseoberfläche gelangen, sich dort verteilen, sich vermehren und gegebenenfalls den Verbraucher infizieren können. Die größte Gefahr geht von Exkrementen aus, wenn diese von Säugetieren, beispielsweise Wildschweinen, oder von Vögeln auf das Gemüse gebracht werden. Auch Beregnungswasser birgt Risiken, wenn es aus hygienisch bedenklichen Oberflächengewässern entnommen wird. Die Möglichkeiten zur Inaktivierung von anhaftenden Bakterien etwa bei Salaten ist aufgrund der Empfindlichkeit der Produkte jedoch sehr begrenzt. Am Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e. V. (ATB) wird daher die antimikrobielle Wirkung von Plasma derzeit in zwei Forschungsprojekten untersucht.

Ziel des Projektes „FriPlas“ ist es, gemeinsam mit Forschungspartnern aus Industrie und Wissenschaft, eine intelligente Lösung für die Behandlung von Obst und Gemüse zur Verfügung zu stellen, das in bestehende Produktionslinien integrierbar ist. Ausgeschlossen werden soll eine überdimensionierte und unspezifische Behandlung der Rohware. Es gilt der Leitsatz „So viel wie nötig – so wenig wie möglich“. Das Projekt zielt daher auch darauf ab, hochentwickelte Analyseverfahren in spezialisierter Form zu nutzen, um das Auftreten problematischer Keime und Keimbelastungen im laufenden Prozess zu erfassen und die entsprechende Rohwarencharge mit Plasma im für sie notwendigen Maße zu behandeln. Eine Erkennung könnte beispielsweise im Rahmen der industriellen Wäsche erfolgen, bei der sich anhaftende Keime ablösen und dann im Waschwasser nachgewiesen werden können. Direkt im Anschluss an die Wäsche könnte nun die für die jeweilige mikrobielle Belastung erforderliche Dosis Plasma angewendet werden.

Auch Kräuter und Gewürze können mikrobiell belastet sein, die Mikroorganismen werden jedoch meist erst in nicht ausreichend erhitzten Lebensmittelprodukten ein Problem und können zu vorzeitigem Verderb und Lebensmittelinfektionen führen. Im EU-Forschungsprojekt „GreenFooDec“ beschäftigt sich das ATB seit Anfang des Jahres zusammen mit acht weiteren Partnern aus Spanien, Schweden, der Türkei und Deutschland mit der Konservierung und mikrobiellen Dekontaminierung von Kräutern und Gewürzen mithilfe neuartiger Technologien. Neben der Behandlung mit überkritischem Kohlendixid in Kombination mit Ultraschall und elektromagnetischer Behandlung wird auch die Behandlung mit „kaltem Plasma“ untersucht.

Für die Plasmaexperimente setzt das ATB ein am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald entwickeltes Plasmaverfahren ein. Die Ausführung ist hierbei ein sogenannter Plasma-Jet, eine Plasma-Düse, in der das durchströmende Prozessgas zwischen zwei Elektroden zum Plasma angeregt wird. Ein Vorteil dieser Technik liegt in der Vielseitigkeit, die komplexen Oberflächen von Obst und Gemüse durch Anordnung vieler Plasma-Jets umfließen zu lassen und so für eine lückenlose Abtötung der Keime zu sorgen. Die antibakterielle Wirksamkeit der Plasmen wurde am ATB bereits an standardisierten Materialien für den Einsatz auf frischem Obst und Gemüse unter Beweis gestellt: So konnte das Bakterium Escherichia coli, in seinen krankheitserregenden Unterarten oft als Lebensmittelvergifter auftretend, innerhalb einer Minute um 99,9 Prozent inaktiviert werden, das Weichfäulebakterium Pectobacterium carotovorum (Erreger der Karottenfäule) sogar um 99,999 Prozent.

Der Autor ist Leiter des Forschungsprogramms Qualität und Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln am ATB.

Oliver Schlüter

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