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Landeshauptstadt: Mit Rundturm und doppeltem Belvedere

Nur eine einfache Villa war ihm nicht genug: Der Kronprinz hatte hochfliegende Pläne für das Schloss Lindstedt, doch die blieben unausgeführt

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Nur als einfachen Villenbau in der Art von Charlottenhof mit Pergola, vorgebauten Portikus und Rundturm mit Kuppel auf freistehendem Säulenkranz bezeichnet Gustav Poensgen in einem Reiseführer aus dem Jahr 1930 Schloss Lindstedt. Damit tut der dem Schlösschen bitter Unrecht, das in seiner schlichten Eleganz ein bevorzugter Ort für Empfänge und Vorträge, so der Urania-Reihe Lindstedter Begegnungen Gespräche über Preußen geworden ist.

Wäre es allerdings nach König Friedrich Wilhelm IV. gegangen, würden wir heute an dieser Stelle ein weitaus imposanteres Gebäude sehen. Er hatte schon 1828 als Kronprinz das zwischen Bornstedt und Eiche gelegene, mit einem Landhaus besetzte Anwesen für 12 000 Taler gekauft.

Es gehörte damals einer Frau von Bülow, Witwe eines Magdeburgers Domdechanten. Ursprünglich war es von dem Hasenheger und Oberjäger Friedrichs dem Großen, Achatius Daniel Lindstedt, angelegt worden, der bis heute Namensgeber des Schlösschens ist.

Wie für den Kronprinzen typisch, befasste er sich schon bald nach dem Kauf mit einer Erweiterung der Gebäude und der gärtnerischen Aufschmückung der Umgebung. Die früheste erhaltene Skizze trägt das Datum 1. Januar 1832. Ihm schwebte eine antike Villa vor, wie er sie ja auch im Park Charlottenhof bauen wollte. Ernst machte er mit dem Vorhaben allerdings erst Anfang der 1840er Jahre, als er den Thron bestiegen hatte. Wieder einmal litt der Architekt Ludwig Persius unter der Sprunghaftigkeit seines königlichen Auftraggebers. In seinem Tagebuch hält er am 8. Januar 1841 fest, das der Umbau nach dem Vorbild des Hauses des Acteon in Pompeji erfolgen solle; schon am 4. Februar trägt er ein, der König wolle die alten Baulichkeiten ganz niederreißen und das neue Etablissement an einer anderen Stelle errichten lassen.

Zudem konnte es Persius dem Romantiker auf dem Thron nicht recht machen. 1843 legte er ihm einen ersten Entwurf vor. Da Friedrich Wilhelm IV. nun wieder, um der Königin zu gefallen , den Erhalt des alten Gutshauses wünschte, sah Persius die Erweiterung durch Anbauten vor, so eines Gebäudes mit höheren Dächern, einer Aussichtshalle, eines Portikus (Säulenvorbau) und eines Impluviums (Halle mit Wasserbecken). Doch dafür zeigte S. M. (Seine Majestät) nicht viel Verve und übergab den Auftrag sogar an einen anderen Baumeister, Kopisch, der eine „Villa rustica“ komponieren sollte.

Ludwig Perisius kam aber doch wieder ins Geschäft. Nachdem er nichts mehr von Lindstedt gehört hatte, legte er im Januar 1844 von sich aus einen neuen Entwurf vor. Der sah auch ein dreigeschossiges Gebäude mit zwei Türmen und einer Galerie vor, ein so genanntes Doppelbelvedere, das zu den Lieblingsmotiven des Königs gehörte und auf dem Pfingstberg und bei der Sanssouci-Orangerie verwirklicht wurde. Und siehe da: Friedrich Wilhelm IV. fand die Vorschläge „deliciös“ , die dann noch um einen Rundturm und eine große Freitrepppenanlage erweitert und in dieser Fassung am 30. März 1844 eingereicht wurden. Nun hätte der Bau eigentlich beginnen können, doch der König legte den Entwurf, der nur in einer Abbildung der Allgemeinen Bauzeitung (1845) erhalten ist, in die allgemeine Mappe .

So blieb das Vorhaben ein Luftschloss. Ludwig Persius starb 1845 darüber hin, die Planungen, bis 1848 noch von neuen königlichen Skizzen begleitet, wanderten über die Baumeister Hesse, Stüler und v. Arnim wieder zurück zu Ludwig Ferdinand Hesse, der 1858 1860 den Umbau vornahm, der freilich bei weitem nicht an die hochfliegenden Pläne des Königs heranreichte. Friedrich Wilhelm IV. war inzwischen schwer erkrankt sein Wunsch, Schloss Lindstedt als Alterssitz für sich und seine Gemahlin Elisabeth zu nutzen, erfüllte sich nicht mehr. Daran erinnert aber heute noch

der von Peter Joseph Lenné Schlossgarten. Der geniale Landschaftsgestalter verlieh dem kleinen Park, dessen Mittelpunkt eine regelmäßige, mit einem Brunnen geschmückte Anlage ist, den Ausdruck ländlicher Abgeschiedenheit.

Schlösschen und Gärten erlebten nach dem Ende der Monarchie ein wechselhaftes Schicksal. Hier wohnte die Familie von Falkenhayn, deren Tochter Erika mit Henning von Tresckow verheiratet war. Der Offizier gehörte zu den führenden Köpfen des militärischen Widerstands gegen Hitler, der im Attentat vom 12. Juli 1944 seinen Höhepunkt fand.

Bis Kriegsende in Besitz der Hohenzollern, wurde da Schloss 1945 von der Sowjetischen Kommandantur beschlagnahmt. Zahlreiche Kunstwerke und Möbel wurden als Kriegsbeute abtransportiert. Der Lennésche Garten verwilderte. Ein Teil wurde später vom Botanischen Garten der Pädagogische Hochschule genutzt, ein anderer zu Kleingartenland parzelliert. Glücklicherweise ein Luftschloss blieb die Absicht, hier eine Turnhalle zu errichten. 1983 wurden Schloss und Park der Potsdamer Gerichtsmedizin zur Verfügung gestellt. Sie ließ gemeinsam mit dem Eigentümer, den Staatlichen Schlössern und Gärten, den Park rekultivieren und das Gebäude restaurieren. Dafür setzte sich der Institutsdirektor Dr. Kurt Markert besonders ein.

Die historischen Schlossräume dienten nun Tagungen, Beratungen und repräsentativen Zwecken. Für die medizinische Tätigkeit wurden in Schlossnähe Neubauten errichtet. Als das Institut am 29. Mai 1987 zum Bergfest der Baumaßnahmen einlud, wurde auch das restaurierte Adlerportal am Eingang zum Garten eingeweiht.

Dann aber verschwanden die beiden gekrönten Adler. Sie sind nicht wieder aufgetaucht. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, dass sie nicht gestohlen, sondern vom Koko-Stasiimperium nach dem Westen verkauft worden waren, um Devisen für die kränkelnde DDR einzuspielen.

Das wiederhergestellte Schloss wurde schon vor der Wende wieder zum Anziehungspunkt seiner früheren Bewohner. So waren beispielsweise Angehörige der Familien Falkenhayn und von Tresckow zu Gast. Zur Gründung eines Freundeskreises Schloss Lindstedt erschien 1988 auch ein Nachfahre jener Witwe, die 1828 ihren Besitz an die Krone verkauft hatte: der Karikaturist, Regisseur und Komiker Vicco von Bülow, bekannt als Loriot.

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

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