Landeshauptstadt: Mit Säbel, Stock und Zimbeln
Die Bauchtänzerin Fatima begeisterte beim „Arabischen Abend“ in der Galerie Tisseran
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Die Bauchtänzerin Fatima begeisterte beim „Arabischen Abend“ in der Galerie Tisseran Von Andrea Röder Geknüpfte Teppiche und Kissen sind auf dem Boden verteilt, über der Eingangstreppe und den Lampen wiegen sich Seidentücher im leichten Zug, orientalische Klänge flöten aus dem Lautsprecher: Wer am Donnerstagabend den Weg zur Galerie Tisserand gefunden hatte, erlebte 1001 Nacht mitten in Babelsberg. „Mit dem ,Arabischen Abend’ wollen wir zeigen, dass wir kein normales Einzelhandelsgeschäft sind und uns bei den Kunden bedanken“, erklärt Yvonne Stebe, die den kleinen Spezialitätenladen seit knapp einem Jahr führt und wie ihre Mitarbeiterinnen schon sichtlich auf den Abend eingestimmt ist: Sie haben sich pailettenverzierte Tücher um die Hüften gebunden und üben ausgelassen den „Al raqs Sharqi“, den orientalischen Tanz – wohl wissend, dass Bauchtänzerin Fatima nachher nicht nur Augenweide, sondern auch Animateurin sein wird. Als letzter Programmpunkt sollen die Gäste nämlich selbst die Becken kreisen lassen. „Aber hätten wir das vorher gesagt, wäre wahrscheinlich niemand gekommen“, kichert das konspirative Damenkollektiv voller Vorfreude, während sich die ersten Gäste auf den Kissen niederlassen. Reise ins Morgenland Kurz nach sieben beginnt dann für rund zwanzig Männer und Frauen die Reise von Babelsberg ins Morgenland. Entschlossen, den Stress des Tages zu vergessen, verknoten sie ihre Beine im Schneidersitz und lassen sich bereitwillig ein Tässchen arabischen Kaffee aus verspielten Messingkannen einschenken. Genüsslich an dem mit Zimt und Kardamom aufgebrühten Gebräu nippend, lauschen sie nun andächtig Yvonne Stebe und der Kurzgeschichte von „König Sindbad und seinem Falken“. Doch kaum hat die Erzählerin mit leiser Stimme geschlossen, werden die Galerie-Gäste jäh aus der fremdländischen Märchenwelt gerissen. Die Musik wird aufgedreht und erhobenen Hauptes gleitet Fatima barfüßig in die Mitte des Raumes. Die Augen der Herren weiten sich augenblicklich, und selbst den Damen verschlägt ihr Anblick die Sprache. Über dem breiten Lächeln der hübschen jungen Frau thront ein pompöser Kopfschmuck mit angeknüpftem Schleier. Etwas tiefer wird es noch interessanter, denn Fatimas knappes Oberteil lädt nicht nur wegen seiner aufwändigen Stickerei zum Hinschauen ein. Von den Applikationen derart begeistert, bleibt einem der Herren sogar der Mund offen stehen. Erst als seine Begleiterin ihn unauffällig in die Rippen knufft, löst sich sein Blick und wandert weiter, um die nicht minder reizvoll verhüllten Beine der Tänzerin zu entdecken. Fatima ist sich ihrer Wirkung bewusst und wirft den gebannten Gesichtern lachend ein „Ihr-braucht-keine-Angst-vor-mir-zu-haben“ entgegen, bevor sie sich dem Takt der orientalischen Klänge hingibt. Erst langsam, dann immer schneller bewegt sie Kopf, Arme und Beine wellenförmig zur Musik, schüttelt das Becken bis hin zu einem ekstatischen Zittern, durchbrochen von anmutigen Drehungen und raumgreifenden Schritten, die eher an eine Ballerina als an eine Bauchtänzerin erinnern. Schwerter auf dem Kopf Neben dem klassischen Bauchtanz präsentiert Fatima auch andere Varianten des „Al raqs Sharqi“. So wirbelt sie beim libyschen Säbeltanz zwei Schwerter durch die Luft oder balanciert sie auf dem Kopf, während sich der Rest der Körpers weiter zur Musik bewegt. Ursprünglich zeigten damit frisch verheiratete Frauen ihre Bereitschaft, das Leben und die Ehre ihres Mannes zu verteidigen. Beim Stocktanz, der seinen Ursprung in Ägypten hat, flicht die Tänzerin einen Spazierstock in die Vorführung ein, um schelmig und galant einen Mann nachzuahmen. Besonders beeindruckt ist Eva Backé, eine Zuschauerin, von Fatimas Zimbeltanz. „Das macht sie wirklich gut“, meint die Potsdamerin, die selbst seit drei Jahren orientalisch tanzt. Beim Zimbeln, das dem Spiel mit Kastagnetten ähnelt, lässt die Tänzerin analog zur Musik kleine Metallbecken zwischen den Fingern erklingen. Aus Erfahrung sagt Eva Backé: „Es ist wirklich schwer, im Rhythmus zu klackern und sich dabei noch zu bewegen. Das können nur wenige.“ Fatima kann es und wird entsprechend mit viel Applaus bedacht, bevor sie sich zu einer Pause zurückzieht. Während Yvonne Stebe in der Galerie „Den Weg durch die Schlucht“, ein orientalisches Frauenmärchen, zum Besten gibt, hat sich Fatima im Nebenzimmer aus dem selbstgeschneiderten Bauchtänzerinnen-Dress geschält und ist nun in ein schwarzes ägyptisches Folklorekleid mit aufgenähten Herzen geschlüpft – für die Zugabe. Noch etwas außer Atem erzählt sie, wie sie zum Bauchtanz gekommen ist, denn eine arabische Herkunft lassen ihre helle Haut und die blonden Haare nicht gerade vermuten. „Ich bin komplett preußischer Abstammung“, gibt sie freimütig zu, ihren wirklichen Namen möchte sie aber nicht nennen. „Ich arbeite schließlich im öffentlichen Dienst.“ Ihre Leidenschaft für den orientalischen Tanz hat Fatima in einem Kurs der Volkshochschule entdeckt. „Später habe ich mir mit dem Tanzen das Pädagogikstudium finanziert.“ Heute wird sie vor allem für größere Empfänge und türkische Hochzeiten gebucht. Viel mehr Zeit zum Plaudern bleibt nicht, Fatima ist sehr gefragt an diesem Abend. Mit oberägyptischer Folkloremusik ertanzt sie sich zum zweiten Mal die Bewunderung des Publikums, bevor sie durch die Galerie ruft: „Und jetzt machen alle mit!“ Während die meisten Frauen begeistert aufspringen, kommen vor allem die Männer kurz ins Grübeln: Soll ich oder soll ich nicht? Der Gruppenzwang und Fatimas gewinnendes Lächeln helfen aber schließlich auch dem letzten Gast auf die Beine. Und so probieren sie sich im schweißtreibenden Beckenkreisen, Armeschlängeln und Bauchmuskelzittern – bis sie erschöpft zurückkehren auf den Babelsberger Bürgersteig, in die kühle Luft des Abendlandes. Fatima ist unter der Telefonnummer (0331) 740 45 17 erreichbar.
Andrea Röder
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