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Landeshauptstadt: „Mit Schönbohm kann man gut quatschen“

Schulschwänzer im LEO-Projekt luden Brandenburgs Innenminister zum Kennenlerngespräch

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Schulschwänzer im LEO-Projekt luden Brandenburgs Innenminister zum Kennenlerngespräch Von Nicola Klusemann Mit einem kräftigen Händedruck und einem ehrlich gemeinten „Kommen Sie doch mal wieder vorbei“ verabschiedete gestern die 16-jährige Schulschwänzerin Silvia Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm. Die Teilnehmerin am Lernprojekt für Schulverweigerer (LEO) hatte den CDU-Minister höchst persönlich eingeladen, nachdem dieser im Herbst vergangenen Jahres Fußfesseln für kriminelle und notorische Schulschwänzer gefordert hatte. „Ich beende jetzt diesen wichtigen Brief“, schrieb die Schülerin damals, „und hoffe, Sie nehmen meine Einladung an. Mit freundlichen Grüßen einer Schulschwänzerin, die was gegen Fußfesseln hat und der auch anders geholfen wurde.“ Schönbohm kam und sollte im Gespräch erfahren, warum Jugendliche die Schule schwänzen und wie ihnen in der Alternativeinrichtung in Trägerschaft der Hoffbauer-Stiftung auf Hermannswerder Lernen wieder schmackhaft gemacht wird. „Ich wusste nicht, dass es dieses Projekt gibt“, gestand der Innenminister nach dem einstündigen Gespräch. Er bewunderte die „große Ernsthaftigkeit“, mit der die Jugendlichen mit ihm diskutiert hätten. „Praktisches Lernen“, nennt Gemeindepädagoge Bodo Ströber diese ungewöhnliche Begegnung. Er ist einer der vier Lehrer und Sozialpädagogen, der mit den zwölf LEO-Teilnehmern die „andere Schule“ probt. Im Lernprojekt gibt es keine Schulstunden und abgegrenzten Fächer. Gearbeitet werde fächerübergreifend und in so genannten Werkstätten. „Nicht das Schulglockenklingeln bestimmt die Pause, sondern der Stand der Diskussion“, erklärt Ströber. Als die noch Deutschlehrerin an einer Regelschule war, habe man sich zum Beispiel mit einem Schiller-Text befasst ohne ihn zeitgeschichtlich einzuordnen, erzählt Margret Schettler. Der Betreuungsschlüssel im Schulverweigerungsprojekt aber erlaube es den Autor Schiller und die Zeit zu beleuchten, in der er gelebt und gearbeitet hat. „Lernen muss Spaß machen“, heißt die Anforderung an die vier Pädagogen, die sich nicht als Anwälte des Lernstoffes, sondern in erster Linie als Beziehungspersonen sehen. Die Probleme der Kinder und Jugendlichen, die die Schule verweigerten, seien vielfältig: Elternhaus, Drogen, Rechtschreib- und Leseschwäche. Für deren Lösung sei man auch mitverantwortlich, sagt Bodo Ströber. Ziel des Projektes sei es, die Teilnehmer bis zum Ende ihrer Schulpflicht zu begleiten. „Wenn sie einen Abschluss machen, um so besser“, so der Gemeindepädagoge. 51 Schulpflichtige hätten seit LEO-Gründung 1999 das Programm durchlaufen. Zwei schafften den 10.Klasse-Abschluss, 23 erreichten das Ende der Pflichtzeit oder schlossen die 9. Klasse ab, 15 brachen vorzeitig ab. Die 16-jährige Silvia, die wegen vieler Wissenslücken die 8. Klasse wiederholen musste und dann ihre jüngeren Mitschüler kindisch fand, blieb immer häufiger dem Unterricht fern. Sie fühlte sich von den Lehrern im Stich gelassen. Da verstanden ihre Kumpels, die ebenfalls keinen Bock auf Schule hatten, sie schon besser. Schließlich ging sie gar nicht mehr hin. „Früher stand ich in Mathe fünf, jetzt zwischen eins und zwei. Deutsch fand ich doof, heute klasse.“ Die einstige Schulverweigerin will jetzt den 9. Klasse-Abschluss machen und später Geld mit Reitunterricht verdienen. Das hat sie auch Jörg Schönbohm gesagt. Der ist nach seinem gestrigen Besuch zumindest davon überzeugt, dass LEO die „sozial schädlichen Folgen von Schule schwänzen“ vereitelt. Die Jugendlichen hätten eine Chance auf eine Ausbildung und rutschten nicht ins kriminelle Milieu ab. Den einfachen Schulverweigerer habe er ja auch nie mit seinem Fußfessel-Vorschlag gemeint, betonte der Innenminister und CDU-Mann noch einmal ausdrücklich. Darauf hatten ihn die zwölf Lernprojektler natürlich auch gleich angesprochen. Und Schönbohm hatte es einmal mehr klarstellen können. Überhaupt, „mit dem Schönbohm kann man gut quatschen“, urteilte Silvia knapp. Sie hatte angenommen, dass der Innenminister ein „knallharter Diskutierer“ sei, der auf seine Meinung beharre. Die Briefschreiberin war überrascht, wie locker der General a.D. sein kann und lud ihn deshalb ein, wiederzukommen.

Nicola Klusemann

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