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Breakdance-Gruppe aus Potsdam beim „Battle of the Year“: Mit Stil

Eine Potsdamer Breakdance-Gruppe tritt beim „Battle of the Year“ an. Erstmals sind auch Kinder und Jugendliche mit dabei – mit verschiedensten Hintergründen.

Von Katharina Wiechers

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„Der rechte Fuß hinter dem linken vorbei“, ruft Robert Segner und springt auf ein Bein. Dann die Arme hoch, ein Kick in die Luft, und in die Hocke. „Und jetzt ihr: fünf, sechs, sieben, acht.“ Die Luft ist schlecht: draußen ist es heiß, der Proberaum ist kaum belüftet und Schweiß hängt in der Luft. Doch das ist jetzt egal. Nur noch wenige Tage, dann muss die Choreografie sitzen. Denn Robert Segner und seine Jungs treten beim Vorentscheid für das „Battle of the Year“ an, dem wichtigsten Breakdance-Turnier der Welt. Am kommenden Samstag ist es so weit.

Schon seit einigen Monaten trainieren Robert Segner, Kulturarbeiter und freiberuflicher Tanzpädagoge, und einige seiner Breakdance- Freunde mit der Gruppe Jugendlicher einmal pro Woche. Die jungen „B-Boys“ haben dabei unterschiedlichste Hintergründe: Drei der Jungs wachsen in einem Babelsberger Wohnprojekt auf, Nick lebt hingegen in einem Kinderheim. Explizit sollen bei dem Training auch Flüchtlingskinder integriert werden. Und tatsächlich tanzen Jugendliche aus Afghanistan, der Nordkaukasus-Republik Dagestan oder Afrika mit. Und dann natürlich Vukain „Vule“ Brkic, der siebenjährige Roma-Junge aus Serbien. Er war von Anfang an dabei und ist – allein schon wegen seines jungen Alters und seiner zierlichen Statur – quasi die Hauptattraktion der Gruppe. Viele kennen ihn auch, weil seiner Familie von Abschiebung bedroht ist (PNN berichteten) und sich viele aus der Breakdance-Gruppe für sein Bleiben einsetzen.

Doch das ist heute kein Thema. Stattdessen konzentrieren sich Vule und die anderen auf das Tanzen. Erstmals gibt es beim „Battle of the Year“ auch ein „Kids-Format“ für junge Breakdancer bis 15 Jahre. Eine gute Gelegenheit, die bunte Potsdamer Truppe noch mehr zu motivieren, dachte Robert Segner und meldete seine Schützlinge unter dem Namen „Kidz mit Style“ an. Doch dann machte ihm die Zeit einen Strich durch die Rechnung: Nick, der Junge aus dem Heim, wurde 16 Jahre alt und sprengte damit den Altersrahmen. „Ihn rauszuschmeißen war natürlich keine Option“, sagt Robert Segner. Also änderte er die Anmeldung und lässt die Jungs nun einfach für das normale „Battle“ antreten. Damit sie gegen die großen Jungs eine Chance haben, holte er sich Unterstützung einiger erfahrener Potsdamer Breakdancer, und auch der 30-Jährige selbst wird mit auf der Bühne stehen. Insgesamt sind sie jetzt 17 Tänzer – ungewöhnlich viele für eine Breakdance-Crew. „Wir werden bestimmt die größte Gruppe sein, die antritt“, so Robert Segner.

Doch auch wenn jetzt Profis mit im Team sind, liegt der Fokus weiterhin auf den Kindern und Jugendlichen. Vule zum Beispiel soll gleich als Erstes auf die Bühne kommen, noch bevor die ersten Takte der Musik erklingen. „Kids“ von Jamiroquai haben sie sich ausgesucht, besser könnten Titel und Text nicht passen. „The kids got funky soul and groove emotion. But if you don’t give the kids the chance to use it, they’re always more than likely to abuse it“, heißt es zum Beispiel gleich zu Beginn. Den Kindern eine Chance geben ist auch Robert Segners Credo.

In der Praxis sieht das so aus: Alle 17 tanzen eine Choreografie, die aber immer wieder unterbrochen wird von Solo- Einlagen der Jugendlichen. Während Vule also zum Beispiel zu Beginn der Show in der Mitte steht, zum Takt der Musik Arme und Beine tanzen lässt und sich immer wieder wie eingefroren zu Boden wirft, halten die anderen fast still und deuten mit den Fingern auf ihn. Jeder der Jugendlichen bekommt im Lauf des Stücks seinen Solo-Auftritt und steht im Mittelpunkt.

Beim Solo machen Robert Segner oder Vincent Grätz, die das Training momentan anleiten, keine Vorgaben. „Die Soli sind spontan, dem Zufall überlassen“, sagt Robert Segner. „Wir geben höchstens Impulse, aber im Prinzip ist das den Kids selbst überlassen.“

Als weitere kleine Zwischeneinlagen bei der rund fünfminütigen Show, die während der Trainings im Club 18 entsteht, legen die erfahrenen Breakdancer einige „power moves“ oder „blow ups“ ein – also besonders spektakuläre, akrobatische Tricks. Vincent Grätz zum Beispiel landet mit einem Sprung auf dem Kopf, rutscht einen halben Meter über den Boden und dreht sich dann blitzschnell mit den Beinen in der Luft um die eigene Achse. Mit dieser Kombination aus Profi- und Kindertricks könnte es sogar im Wettbewerb der Großen klappen, so die Hoffnung.

Zehn Crews aus ganz Deutschland werden es wohl sein, die an diesem Samstag beim Vorentscheid in Hannover gegeneinander antreten. Eine Jury aus deutschen und amerikanischen Experten wird die Leistung bewerten, die vier besten Crews dürfen dann in sogenannten Battles gegeneinander antreten. Wer dort wiederum als Sieger hervorgeht, darf zu den internationalen „Battles of the Year“ im Oktober nach Essen reisen, wo sich Breakdancer aus aller Welt messen.

Schon unter den besten vier zu sein, wäre ein unglaublicher Erfolg, sagt Robert Segner und seine Augen funkeln. Doch bis dahin ist noch viel zu tun. Die Soli mögen spontan sein, doch die Choreografie müssen alle auswendig lernen. Also noch mal von vorn: fünf, sechs, sieben, acht. Auftritt Vule.

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