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Landeshauptstadt: Mit Volldampf in Untiefen

Potsdams Politik 2005: Ärger in den Ressorts Kultur und Bauen – und zum Schluss die Niemeyer-Krise

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Es war kein schönes Wort, das Jann Jakobs da entfuhr. Gerade hatten die Potsdamer Stadtverordneten in geheimer Wahl ihre Stimmen abgegeben – und ihrem Oberbürgermeister einen Denkzettel verpasst. Sein Kandidat für das Amt des Bürgermeisters, der Finanzbeigeordnete Burkhard Exner, bekam im ersten Wahlgang nicht die notwendige Mehrheit. Freilich, beim zweiten Versuch klappte es, die kleine Niederlage konnte der Oberbürgermeister schnell verdauen. Der Vorgang allerdings hat symptomatische Qualität. Selbst wer die politische Lage der Landeshauptstadt nicht als zugespitzt bezeichnen mag, muss eingestehen, dass sie sich im zurückliegenden Jahr nicht verbessert hat. Ein Jahr mit Turbulenzen im Rathaus.

Den Stempel „nicht regierbar“ trägt Potsdam, seit die PDS aus der letzten Kommunalwahl im Oktober 2003 als stärkste Partei hervorging – und der SPD-Oberbürgermeister ohne eigene Mehrheit dasteht. Ein probates Mittel, damit umzugehen, haben Jakobs und seine Schloss-Koalitionäre von SPD, CDU und Bündnisgrünen auch im zurückliegenden Jahr nicht gefunden. Die Absage des Stadtoberhaupts an eine feste Koalition, die Versicherung, mit wechselnden Mehrheiten regieren zu wollen – sie hat zeitweise in eine Sackgasse geführt. Besonders, als es in den Ressorts Bauen und Kultur schwere Probleme gab, stellte sich der Handlungsspielraum des Oberbürgermeisters als äußerst gering dar. Ein wohl angedachter Wechsel auf den Beigeordneten-Posten wäre ihn teuer zu stehen gekommen. Zu teuer offenbar. Welche Forderungen es von Seiten der Linken und der Christdemokraten gegeben hätte, darüber kann nur spekuliert werden. Aber selbst für die Mehrheit für Exner, heißt es aus dem Rathaus, habe Jakobs Zugeständnisse machen müssen. So beschränkte er sich nach der Krise um die gescheiterte Kulturhauptstadt-Bewerbung, in deren Vorfeld Potsdam sich mit der Literaturstipendiaten-Affäre zum Gespött des Feuilletons gemacht hatte, auf Strukturreformen im Ressort von Gabriele Fischer. Bis Jakobs die Beigeordnete einigermaßen aus der Schusslinie manövriert hatte, verging jedoch einige Zeit. Woran nicht allein die Ressortchefin Schuld trägt. Gerade in dieser Phase wollten die Vorwürfe, der Oberbürgermeister pflege einen zu autoritären Führungsstil, kaum abreißen.

Ähnlich stellte sich die Lage im Bauressort dar. Der erbitterte Streit um die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke und die geplante Bebauung in unmittelbarer Nähe brachten die Beigeordnete Elke von Kuick-Frenz in Schwierigkeiten. Als der Konflikt um Stadtentwicklung und Kulturerbe auch am Glienicker Horn und am Bornstedter Krongut zu schwelen begann, Investoren mit Rückzug und Gegner mit der Unesco drohten, gab die Verwaltungsspitze ein denkbar schlechtes Bild ab. Ungenaue, wenn nicht gar unwahre Aussagen schwirrten durch den öffentlichen Raum, irrtümlich vergessene Baurechte wurden gesperrt oder entzogen, die Gefahr von Klagen in Kauf nehmend. Betroffene bemängelten miese Kommunikation, zeigten sich enttäuscht über ein feindliches Klima. Gelöst sind die meisten dieser Konflikte nicht.

Und einige wurden schlicht überdeckt – vom Projekt des Jahres: dem Bau eines Freizeitbades nach Entwurf von Oscar Niemeyer am Brauhausberg. Das von ihm immer wieder befürwortete Mammutvorhaben hat Jakobs in den letzten Wochen des Jahres mächtig unter Druck gebracht. Potsdam hat Luxusvorwürfe abzuwehren, der Wirtschaftsminister findet Mängel an der Planung, lässt die Stadt mit ihrem Förderantrag auflaufen. Wie gefährlich das Niemeyer-Bad für Jakobs werden kann, müssen die nächsten Monate zeigen. Die Situation allerdings ist mehrfach prekär: Scheitert das Projekt, das sich der Oberbürgermeister so sehnlich wünscht, hinterließe ihn das geschwächt. Bei den Potsdamern, ohnehin skeptisch was die Millionen-Investition angeht, würde sich die Meinung verfestigen, ihr Stadtoberhaupt sei auf der falschen Fährte gewesen. Setzt Jakobs den abgespeckten Niemeyer-Entwurf durch, könnte sich das als Pyrrhussieg erweisen. Denn mit den Niemeyer-Kuppeln würde vielleicht der Vorwurf zementiert, Potsdam leiste sich zu viel Luxus, während das Land darbt, die Stadtkasse leer ist, die Neubaugebiete angeblich vernachlässigt werden.

Das Niemeyer-Projekt hat, so berechtigt, attraktiv, sinnvoll und finanzierbar es auch sein mag, zum jetzigen Zeitpunkt den Bogen überspannt. Die Luxus-Debatte war vorhersehbar – allein, weil zeitnah endlich der Beschluss des Landtags zugunsten des Landtagsschlosses auf dem Alten Markt gefeiert werden konnte. Doch der Jubel darüber ist schnell verklungen. Großen Anteil daran hat die Linkspartei.PDS. Sie wirft der Stadtspitze permanent eine Ungleichbehandlung von historischer Mitte und Neubaugebieten vor – Jakobs wertet das als ungerechtfertigte Spaltung der Stadt, als provozierten Nord-Süd-Konflikt. Doch die Vorwürfe der Linken haben Wirkung – weil bei den Vorhaben im Zentrum oftmals die Transparenz fehlt. Zuletzt, als versehentlich öffentlich wurde, dass für zehn Millionen Euro eine neue Tram-Brücke neben die Lange Brücke gebaut werden soll. So lässt sich der Eindruck, Transparenz sei hier nicht unbedingt gewollt, kaum vertreiben. Auf verschlungenen Pfaden zum Ziel zu kommen mag in der Politik üblich sein – ob es in diesem Fall taugt, scheint fraglich. Dazu hat die Stadtspitze in diesem Jahr zu sehr gegen einen guten Ruf gearbeitet.

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