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DAS FINANZKONSTRUKT: Mit Vorfaitierung „ wurden wir rausgedrückt“

Das Spaßbad in Drewitz war trotz aller bekannten Probleme lange Zeit gewollt – doch gewollt war auch der Ausstieg der Stadt

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DAS FINANZKONSTRUKTDas Spaßbad in Drewitz war trotz aller bekannten Probleme lange Zeit gewollt – doch gewollt war auch der Ausstieg der Stadt Von Michael Erbach Die Finanzkonstruktion, mit der das 20 Millionen Euro teure Spaßbadprojekt umgesetzt werden sollte, sah zunächst vor, dass die Stadt einen einmaligen Baukostenzuschuss in Höhe von 1,8 Millionen Euro zahlen sollte. Außerdem verpflichtete sich die Stadt, 30 Jahre lang jene Zuschüsse zu zahlen, die für den Weiterbetrieb der Stern-Schwimmhalle angefallen wären – zunächst 445 000 Euro, später war eine Steigerung um zwei Prozent vorgesehen. Damit sollte das kommunale 25-Meter-Becken in dem Freizeitbad vom Betreiber für die Stadt betrieben werden einschließlich aller Wartungs- und weiterer Kosten sowie der Bildung entsprechender Rücklagen – als Ersatz für die marode Sternschwimmhalle, die abgerissen werden sollte. Mit den Investoren war weiterhin vereinbart worden, dass dieses Geld an den vorgesehenen Finanzier Südleasing verkauft wird, der dafür den Investoren eine einmalige Summe von mehr als acht Millionen zur Realisierung des Bauprojektes überweist (Vorfaitierung). Die Stadt sollte diese Summe 30 Jahre lang unabhängig von der Vertragserfüllung durch den Investor überweisen (Einredeverzicht). Als Ausgleich für den Einredeverzicht sollte die Stadt für den Fall, dass die Betreiber Insolvenz anmelden, Grundstück und Gebäude entschädigungslos übertragen bekommen. Die Stadt sollte erst ab dem Moment zahlen, wenn das Bad fertig gestellt ist. ERB Am 15. Oktober 2001 übermittelte die Südleasing GmbH, ein Tochterunternehmen der Landesbank Baden-Württemberg, der Unternehmensgruppe Ulrich Weber in Berlin ein Schreiben. Darin wird mitgeteilt, dass Südleasing „gerne“ für die Finanzierung des Spaßbades in Drewitz „zur Verfügung“ stehe. Zugleich wird bestätigt, dass die Finanzierung des Vorhabens gesichert sei. Zu den Voraussetzungen für den Einstieg der erfahrenen Finanziers aus dem Südwesten gehörte auch die Umsetzung eines Bausteins im Finanzkonzept, der sich Vorfaitierung nennt. Im konkreten Vorfaitierungsfall (siehe Kasten) sollte die Stadt 30 Jahre lang Betriebskostenzuschüsse für ein kommunales 25-Meter-Becken in dem Bad zahlen – beginnend mit jährlich 445000 Euro. Dieses Geld sollte an eine Bank gehen. Zugleich sollte sich die Stadt verpflichten, diese Zuschüsse auch dann 30 Jahre lang zu zahlen, wenn der Betreiber aus dem Projekt aussteigt. Südleasing hat nach eigenen Angaben Erfahrung mit solchen Projekten. Gegenüber Projektentwickler Manfred Schaffner versichert Südleasing, „seit 1998 mehr als zehn Freizeitbäder im gesamten Bundesgebiet mit einem Investitionsvolumen von mehr als 230 Millionen Euro auf der Basis des in Potsdam vorgestellten Modells finanziert“ zu haben. Doch schon im Februar 2002 gibt es Probleme. Bei einer internen Runde weisen Vertreter des Wirtschaftsministeriums die Stadtverwaltung darauf hin, dass das von der Weber-Gruppe vorgestellte Finanzierungskonzept problematisch sei. Nach PNN-Informationen soll dabei insbesondere auf den Umstand hingewiesen worden sein, dass die auf 30 Jahre festgelegte Pflicht der Stadt zur Betriebskostenzuzahlung nicht förderfähig sei, da es sich um eine zu hohe kommunale Beteiligung an einem privatwirtschaftlichen Vorhaben handele. Bemängelt wird auch der geringe Eigenkapitalanteil des Investors am Projekt. Üblich seien 25 Prozent, die Weber bis heute nicht nachweisen kann. An dem Gespräch nehmen von der Stadt u. a. die Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz und Sportbeigeordnete Gabriele Fischer teil. Panik trat danach nicht ein. Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Steffen Kammradt, begründet dies so: Bei dem Treffen sei nicht das Aus des Vorhabens verkündet worden, sondern sei lediglich auf die Probleme hingewiesen worden. Zugleich seien die Voraussetzungen für ein beihilfekonformes Finanzierungskonzept dargestellt worden. In der Folgezeit sei die Finanzproblematik immer wieder Thema der Treffen „auch mit den Investoren“ gewesen. Das sieht Ulrich Weber ganz anders. Über seinen Anwalt lässt er mitteilen, dass sein Unternehmen erstmals am 17. Februar 2004 davon erfahren habe, dass die geplante Finanzierung nicht förderfähig sei. Die Vertragspartner seien ihren „Sorgfalts- und Aufklärungspflichten“ nicht nachgekommen. Somit seien für den Fall, dass das Spaßbad nicht von der Weber-Gruppe gebaut wird, gegenüber der Stadt, der Investitionsbank des Landes und dem Land Brandenburg „Schadensersatztatbestände“ gegeben. Dass das Spaßbad nicht kommt, hat Oberbürgermeister Jann Jakobs am Mittwochabend im Hauptausschuss nochmals bekräftigt. Er und Finanzbeigeordneter Burkhard Exner wiesen zugleich den Vorwurf zurück, die Stadt habe wissentlich zwei Jahre lang Informationen zurückgehalten oder gar, wie Weber-Anwalt Karl-Josef Stöhr, erklärte, die Investoren „ausgebootet“. Dass die Stadt zwei Jahre lang ein Projekt vorantrieb im Wissen dass es gar nicht funktionieren kann – das klingt tatsächlich abstrus. Vielmehr bestätigen Teilnehmer der Verhandlungsrunden den PNN, dass die Beteiligten die Problemlage kannten, zugleich aber immer der politische Wille vorhanden gewesen sei, das Projekt gemeinsam durchzubringen. So soll es u. a. Pläne gegeben haben, die rechtlich wacklige Konstruktion mittels Einzelfallprüfung einer (Sonder)Genehmigung durch das Land zuzuführen. Dass die Stadt an eine Durchführbarkeit glaubte, bestätigen auch entsprechende Stadtverordnetenbeschlüsse vom 4. September 2002 und 4. Juni 2003, als Jakobs von den Abgeordneten sogar Grünes Licht dafür bekam, die Verträge mit dem Investor „endzuverhandeln“. In einer Besprechung am 11. Dezember 2003, so erinnert sich Weber-Mitarbeiterin Ines Olizeg, habe der Oberbürgermeister nochmals erklärt, er wolle am Spaßbadprojekt in Drewitz festhalten. Eine Lösung der Finanzprobleme gab es zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht. „Aber“, so Olizeg, „wir waren alle der Meinung , dass es zu schaffen sei – auch weil es gewollt war“. Zu diesem Zeitpunkt stand Jakobs schon heftig unter Druck. Zum einen begann tatsächlich die Zeit zu drängen, denn für die Beantragung der EU-Fördermittel gab es Fristen, die langsam näher rückten. Zum anderen hatte das im Herbst 2003 vorgelegte Bädergutachten des Landes Potsdam zwar die Förderung eines Hallenneubaus zugestanden – allerdings hatten Gutachter und auch die Vertreter des Sportministeriums eine klare Vorstellung, wo das Bad hin sollte: auf den Brauhausberg. Hinzu kam, dass sich seit 2001 die EU-Förderprogramme verändert hatten. Nunmehr war es möglich, einen Hallenbau als Maßnahme der touristischen Infrastruktur mit bis zu 80 Prozent gefördert zu bekommen – aber nur, wenn es ein kommunales Projekt ist. Wann in der Stadtverwaltung der Plan reifte, sich vom Projekt in Drewitz zu verabschieden und sich in eigener Regie dem Brauhausberg zuzuwenden, ist unbekannt. Olizeg verweist auf das Gedächtnisprotokoll einer Besprechung vom 11. März 2004. Danach hätten sich anwesende Vertreter von ILB, Investor und Südleasing „empört, überrascht und bestürzt“ geäußert, als Hartmut Heilmann vom Wirtschaftsministerium verkündete, dass das Finanzkonzept mit einer Förderung „nicht vereinbar“ sei. In der gleichen Sitzung sei dann das neue Fördermodell vorgestellt worden. Weber habe seine Bereitschaft bekundet daran mitzuwirken, falls die Stadt auf dem Gelände in Drewitz ein Bad errichten wolle. Wie es in dem Protokoll weiter heißt, hätten Vertreter der Landeshauptstadt daraufhin erklärt, dass es Überlegungen gäbe, die dann der Stadt Potsdam zur Verfügung stehenden Fördermittel für andere Standorte oder andere Vorhaben einzusetzen. Das war der Anfang vom Ende des Spaßbades in Drewitz. Jakobs entschied sich am Ende für ein Projekt, das einen höheren Förderanteil verspricht und auf weitgehend stadteigenen Flächen errichtet werden kann – was sicher auch ganz im Interesse des Landes ist. Für Olizeg ist das Ganze dennoch nicht nachvollziehbar. Es wäre „doch kein Problem gewesen in Drewitz zu bauen, wo es doch dort ein bereits fertig geplantes Bad gibt“. Man habe der Stadt sogar Erbpacht bzw. einen Mietvertrag für das Grundstück angeboten. Ihr Vorwurf: „Solange Drewitz politisch gewollt war, haben wir alle an einem Strang gezogen – als es in die andere Richtung ging, wurden wir rausgedrückt.“ Den Vorwand hat Südleasing geliefert – im Oktober 2001. Nun haben wohl die Anwälte das Wort.

Michael Erbach

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