
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Mit Worten überzeugen
Wettbewerb „Jugend debattiert“ greift aktuelles Thema Lernfreiheit auf
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Das Thema der Debatte kann nicht aktueller sein: Sollten behinderte Kinder generell gemeinsam mit nicht behinderten Kindern lernen? Vier Schüler diskutierten gestern über diese Frage beim Jugendwettbewerb „Jugend debattiert“ in der Lenné-Gesamtschule. Drei der Debattanten lernen am Humboldt-Gymnasium, an der sich ein körperlich gehandicapter Schüler angemeldet hat, um dort ab Sommer zu lernen. Autodesigner möchte Djamal Okoko einmal werden – zuvor will der Zwölfjährige am Humboldt-Gymnasium sein Abitur ablegen. Doch das ist nicht so einfach.
Djamal leidet an einer spinalen Muskelatrophie, sitzt im Rollstuhl. Potsdam hat aber kein behindertengerechtes Gymnasium. Einzig die Steuben-Gesamtschule, ein Schulneubau im Kirchsteigfeld, ist barrierefrei gebaut. Das galt verwaltungsintern bisher auch als ausreichend, da sowohl Gesamtschulen als auch Gymnasien das zentrale Abitur nach 13 Jahren angeboten haben. Doch nun gibt es eine Schulzeitverkürzung und somit auch das Angebot, nach zwölf Jahren ein Abitur abzulegen. Die Verwaltung plant daher, das städtische Humboldt-Gymnasium behindertengerecht auszubauen. Doch die Arbeiten werden frühestens in zwei Jahren beginnen. Zu spät für Djamal Okoko, Zwischenlösungen müssen her. Die Stadtverwaltung hat daher angeboten, die Fahrtkosten zum evangelischen Gymnasium Kleinmachnow zu übernehmen. Das ist behindertengerecht ausgestattet. Doch Djamal möchte am Humboldt-Gymnasium lernen, sagte er gegenüber dem Fernsehsender RBB. Unterstützung erhält er vom Behindertenverband der Stadt und von Schulleiterin Carola Gnadt, die das bislang Unmögliche nun ermöglichen will.
Die Hälfte der Schule ist rollstuhlgerecht, allerdings würden behinderte Schüler nicht in die zweite und dritte Etage des Altbaus gelangen. Dort sind die Kunst- und Computerräume. „Wenn der Schüler nicht in die Räume kann, muss das Angebot zum Schüler“, sagte Carola Gnadt. Laptops sollen angeschafft werden, um für die 7. Klasse, in der Djamal lernen will, den Informatikunterricht in einem normalen Klassenraum durchführen zu können. Dafür werden nun Sponsoren gesucht, die einen Klassensatz Notebooks im Wert von 600 Euro pro Stück bezahlen. Auch die Schule selbst will Projekte starten, um für das Vorhaben Geld zu sammeln. „Wir wollen ihn aufnehmen“, sagte Carola Gnadt. Er sei „absolut geeignet“ fürs Gymnasium. Sie empfindet es als weitere Einschränkung, wenn das Kind nicht an der Schule lernen darf, an der es gerne möchte. Eine Bestätigung, Djamal einschulen zu dürfen, hat die Schulleiterin aber noch nicht.
Und die Schüler in der Diskussionsrunde? Leonhard Brands und Christopher Lennert vom Humboldt-Gymnasium haben sich für den gemeinsamen Unterricht ausgesprochen. Körperlich gehandicapte Schüler sollten generell mit gesunden Schülern zusammenlernen, erklärten sie. Maike Brinkmann (Humboldt) und Sami El-Sabkhawi (Lenné-Schule) mussten laut Wettbewerbsregeln dagegen argumentieren. Ihrer Ansicht nach scheitere das vor allem an den fehlenden Ressourcen, die Schulen umzubauen. jab
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