Landeshauptstadt: Mittelpunkt der Stadt
St. Nikolaikirche: Eine Kirchengemeinde stellt sich den Herausforderungen der Gegenwart
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St. Nikolaikirche: Eine Kirchengemeinde stellt sich den Herausforderungen der Gegenwart KIRCHLICHES GEMEINDELEBEN Kirchen beherrschen seit Jahrhunderten die Silhouetten unserer Städte und Dörfer. Sie sind Zeugen einer geistig-kulturellen Entwicklung und offenbaren die Vielfalt des religiösen Lebens unterschiedlicher Konfessionen. Das gilt auch für die Landeshauptstadt Potsdam und ihre eingemeindeten Dörfer. Was aber geschieht heute in diesen Kirchen? Was bewegt die Menschen, die sich in einer Kirche zusammenfinden? Die PNN-Serie „Kirchliches Gemeindeleben in Potsdam" geht diesen Fragen nach und versucht ein Bild zu zeichnen vom Engagement in den Kirchen der Stadt und ihrer neuen Ortsteile. Sie berichtet auch vom Zusammenspiel verschiedener christlicher Strömungen, die sich in der Ökumene finden. Heute: die Gemeinde der St. Nikolaikirche am Alten Markt. Von Lutz Borgmann Die Nikolaikirche ist die letzte der drei das Bild der ehemaligen Residenz- und heutigen Landeshauptstadt prägenden Kirchen. Die Garnisonkirche steht nicht mehr und der postmoderne Turm am Standort der Heiliggeistkirche beherbergt eine Seniorenresidenz. Das Umfeld der Kirche hat sich durch Krieg und Nachkrieg stark verändert. Heute zählt die Nikolaigemeinde etwa 2100 Mitglieder mit wenig Kindern und Jugendlichen. Es ist eine Personalgemeinde, denn nicht alle Gemeindeglieder wohnen im traditionellen Einzugsbereich. Das Besondere dieser Gemeinde im letzten Vierteljahr: Sie hat keinen Pfarrer. Dreißig Jahre lang prägte Pfarrer Wolfgang Hering das Gemeindeleben, ehe er im Herbst dieses Jahres in den Ruhestand trat. Die Pfarrstelle wurde ausgeschrieben, eine Bewerberin, Pastorin und derzeit Oberkirchenrätin im Berliner Konsistorium, meldete sich und wurde vom Gemeindekirchenrat nach Vorstellung, Probepredigt und Gespräch akzeptiert. Sie tritt ihr Amt am 1. Januar 2004 an. Was macht eine Innenstadtgemeinde ohne Pfarrer? Sie besinnt sich auf das von Luther geforderte „allgemeine Priestertum der Gläubigen“, auf die Mündigkeit evangelischer Christen und nimmt das Geschick in die eigenen Hände. Zum sonntäglichen Gottesdienst werden Gastprediger gebeten. Die Vorbereitung des Gottesdienstes organisieren Laien aus einem Kreis von etwa hundert engagierten Gemeindegliedern. Sie halten auch die Kirche sauber, denn für einen Küster gibt es im Haushaltsplan keine Mittel. Sie verwalten die Gemeindekartei und versehen den wichtigen Dienst des „Tempelwächters“. Als Innenstadtkirche ist St. Nikolai täglich für Besucher geöffnet, die sich Stadt und Kirche ansehen wollen oder einen Ort des Gebets und der Besinnung suchen. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind als Ansprechpartner vor Ort. Eine weitere, der chronischen Finanznot der Kirche geschuldete Besonderheit ist die fehlende Planstelle für einen Kantor. Kirchenmusik an St. Nikolai wird von einem Verein getragen der auch Kantor Björn O. Wiede bezahlt. Der Verein wiederum finanziert sich nicht nur durch Mitgliedsbeiträge, sondern durch die Veranstaltung von durchweg erfolgreichen Konzerten mit Programmen von Klassik bis Spiritual. Die Kirchengemeinde versucht, durch Vermietungen ihre Finanzen aufzubessern: Ein Raum im funktional ausgebauten Kellergeschoss ist an den Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) vermietet, der dort eine intensive volksmissionarische Jugendarbeit betreibt. Demnächst wird für den Stadtjugendpfarrer Martin Vogel in St. Nikolai ein Büro eingerichtet. Damit kommt die Gemeinde nicht nur zu etwas Geld, sondern auch zu einem Mieter mit Predigtauftrag. Wie sehr diese Kirche im Zentrum der Stadt Menschen begeistern kann, bewies jüngst die spontane Reaktion von Pfarrer und TV-Moderator Jürgen Fliege, der beim Brandenburg-Tag in der Kirche sprach. Als er von den Problemen bei der Wiederherstellung der vier Engelfiguren hörte (jeder Engel kostet 30000 Euro), versprach er, die Kollekten von Lesungen der Weihnachtsgeschichte in vier deutschen Städten für die Engel zu spenden. Neben der St. Nikolaikirche ist die katholische Propsteikirche St. Peter und Paul am Bassinplatz die größte Innenstadtkirche. Wegen schwerer Schäden im Innenraum war sie über ein Jahr lang gesperrt. In dieser Zeit stellte die Nikolaigemeinde ihr Gotteshaus jeden Sonntag der katholischen Gemeinde für ihre 12 Uhr-Messe zur Verfügung. Es ist das bleibende Verdienst von Pfarrer Hering, dass ein gutes ökumenisches Klima zwischen beiden Konfessionen in Potsdam herrscht. Es findet seinen Ausdruck nicht zuletzt in gemeinsamen Veranstaltungen, wie beispielsweise einem gemeinsamen Karfreitagsgottesdienst. Pfarrerin Susanne Weichenhan, bis Jahresende noch Oberkonsistorialrätin in Berlin, freut sich auf ihren Dienst in einer lebendigen und vielschichtig geprägten Gemeinde: 2Es war keine einfache Entscheidung. Aber dann habe ich die Gewissheit gewonnen, dass es gut für mich ist, wieder ins Gemeindepfarramt zu gehen.“ – Am 25. Januar 2004, um 14 Uhr, ist der Einführungsgottesdienst.
Lutz Borgmann
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