Von Antje Horn-Conrad: „Mittendrin“ ist mittendrin
Das Helmholtz-Gymnasium hat eine neue, zweite Schülerzeitung: informativ, kritisch, bunt
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„Ich bin unzufrieden.“ Das waren die ersten Worte, die Dieter Rauchfuß über die Lippen kamen, als er „Mittendrin“, eine neue Schülerzeitung am Helmholtz-Gymnasium, in Händen hielt. Den Machern fuhr der Schreck durch die Glieder. Hatten sie doch gerade ein großes Interview mit ihrem Schulleiter veröffentlicht. Er war der Erste, der die druckfrische Neuerscheinung lesen sollte. Auf sein Urteil war die Redaktion ganz besonders gespannt.
Erleichterung dann, als die Schüler begriffen, dass Dieter Rauchfuß nur sich selbst zitiert hatte. Unzufrieden, das war und ist er mit den personellen Maßnahmen des Schulamtes. Dem Austausch von Lehrkräften, die der Schulleiter nun akzeptieren muss. Das hatte er Wolf-Christian Weimer, dem Chefredakteur von „Mittendrin“, im Interview gesagt. Und der Neuntklässler hatte es notiert. Kein Grund also zur Kritik an seiner journalistischen Arbeit. Im Gegenteil. Stolz sei Dieter Rauchfuß auf seine Schüler, und auch begeistert davon, wie sie zu Werke gingen, berichtet Sascha Fischer. Der 15-Jährige hatte für das Heft eine Betrachtung zum Beliebtheitsphänomen der TV-Serie „Scrubs - Die Anfänger“ geschrieben.
Anfänger, das sind die Jungredakteure selbst. Voller Ideen und Ambitionen. Kritisch konstruktiv wollen sie sein, und unabhängig. Nicht nur schulinterne Probleme wollen sie ansprechen, sondern alles, was Schüler bewegt. „Derzeit machen ja die verschiedenen Parteien in Potsdam mit der Bildungspolitik Wahlkampf“, sagt Wolf-Christian Weimer und kündigt an, genau hinzusehen, ob die Wahlversprechen gehalten werden.
Er selbst ärgert sich maßlos über den 80 Jahre alten Sportplatz seiner Schule, ein Schotterplatz, auf dem bei jedem Sturz die noch kaum verheilte Schürfwunden aus der letzten Sportstunde wieder aufreißen. Für Investitionen in eine neue Anlage hat er in „Mittendrin“ einen engagierten Text veröffentlicht. Darin vergleicht er den Mangelzustand an seinem Gymnasium mit den prächtigen Footballplätzen und Basketballhallen, die er während seiner Ferien an einer Highschool in den USA gesehen hat. Und er nimmt die Stadt in die Pflicht, sich um den sportlichen Nachwuchs zu kümmern. „Immerhin kamen 26 Athleten bei den Olympischen Spielen in Peking aus Potsdam. Wer eine solch hohe Beteiligung sichern will, muss sich anstrengen“, argumentiert er in seinem Beitrag, der bereits die meinungsstarken Züge eines professionellen Kommentars trägt. Sicher wirkt hier das Vorbild des Vaters Wolfram Weimer, der das Polit-Magazins „Cicero“ leitet. Doch der Sohn lässt in seiner ruhigen, sehr sachlichen Art keinen Zweifel daran, dass er schon selbst genau weiß, was er und seine „Kollegen“ journalistisch erreichen können.
Mit 95 Prozent schätzt die sechsköpfige „Mittendrin“-Redaktion ihren Eigenanteil an der Produktion der ersten Ausgabe ein. „Unsere Eltern“, erzählt Sascha, „waren eher eine moralische Stütze. Sie haben uns manchmal auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.“
Ansonsten haben die Neuntklässler alles selbst organisiert, von der inhaltlichen Planung bis zur redaktionellen Umsetzung. Sie haben die Kosten kalkuliert, Sponsoren eingeworben, Anzeigen akquiriert. Und noch bevor das erste Heft erschien, gab es bereits eine Website, denn „Mittendrin“ ist ein Mitmach-Medium, erklärt der Chefredakteur. So kann jeder Schüler seine Meinung äußern und selbst Artikel einsenden. Wer dies nicht per e-Mail tun möchte, für den gibt es in der Schule ein Postfach und künftig auch regelmäßig offene Redaktionssitzungen.
Gefreut hatten sich die Neuntklässler auf eine gute Zusammenarbeit mit der bereits bestehenden Schülerzeitung „Between“, die sich vor allem an die höheren Klassen richtet. Dann aber sollen Werbeplakate für „Mittendrin“ im Schulhaus von einer „Between“-Mitarbeiterin abgerissen worden sein. „Eine merkwürdige Art, jemandem seine Abneigung zu zeigen“, kritisieren die Jungredakteure diese Aktion in ihrem Blatt.
Geschadet hat ihnen der Werbeverlust nicht. Das von Helmholtz-Schüler Robert Niemeyer übersichtlich und bildreich gestaltete Heft war schon nach wenigen Schultagen vergriffen. 250 Stück wurden für je einen Euro verkauft. Im handlichen A5-Format, farbig gedruckt mit einem witzigen Titelblatt, das Sportlehrer Jürgen Klug in einer Bildmontage als Olympiasieger im Gewichtheben zeigt, gelang es „Mittendrin“ tatsächlich sehr schnell, mittendrin zu sein. Viel Lob und positive Resonanz bekam das junge Redaktionsteam, das inzwischen nicht nur an der Oktober-Zeitung tüftelt, sondern schon neue Pläne schmiedet. „Vielleicht eine Online-Ausgabe und ein Mittendrin-Spiel im Internet“, schaut Redakteur Vladyslav Rak in die nahe Zukunft. „Und was“, fragt er, „ist eigentlich mit dem alten Schulradio?“ Ginge es nach der „Mittendrin“-Redaktion, könnte dessen Funkstille bald ein Ende haben.
Antje Horn-Conrad
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