Potsdam: „Mitternachtssonne“ für die Garnisonkirche
Scharfe, teils spöttische Kritik am offiziellen Architekturentwurf bei Diskussionsrunde der Bürgerinitiative Mitteschön
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Innenstadt - Der offizielle Architekturentwurf für eine Kapelle im Turm der Garnisonkirche wird scharfzüngig kritisiert: Bei der ersten, nach dem Rückzug der Potsdamer Stadtverwaltung durch die Bürgerinitiative Mitteschön in Eigenregie organisierten Diskussionsveranstaltung „Potsdamer Mitte im Dialog“ am Mittwochabend fand nicht nur die achteckige Grundform wenig Gefallen. Das Architekturbüro Hillmer & Sattler und Albrecht plant für ihren zwölf Meter hohen Kapellenraum auch Tageslichtbeleuchtung durch ein Fenster, das nach Norden zeigt. Im grafischen Entwurf des renommierten Büros scheint die Sonne herein – Grund für den Potsdamer Architekten Andreas Kitschke, spöttisch zu fragen, ob dies die „Mitternachtssonne“ sei. Zudem werde an der Südseite des Turmes eines Tages das Kirchenschiff errichtet sein und das Fenster folglich auf die Rückseite der Orgel zeigen. Kitschke: „Ich weiß, wie das aussieht: wie eine Bretterwand.“ Wenn das Kirchenschiff gebaut ist, werde die Turmkapelle „düster sein“, prophezeite Kitschke. Architekt Christian Wendland hieb in dieselbe Kerbe: „Ich schäme mich für Albrecht und Kollegen, dass bei ihnen die Sonne von Norden reinscheint.“
Der von Hillmer & Sattler und Albrecht geplanten achteckigen Grundform setzten die „drei Freunde“ Peter Braun, Jan Fiebelkorn-Drasen und Wilhelm Hüffmeier die Idee einer rechteckigen Grundform entgegen. Für das Oktagon gebe es „keine Entsprechung in der Formensprache der Garnisonkirche“, erklärte Fiebelkorn-Drasen, ein emeritierter Hochschullehrer. Die kubische, rechteckige Form sei dagegen „einfach, fest und erdverbunden“, wie schon Platon festgestellt habe. Einfachheit und Strenge der Form stehe eher „im Geist der preußischen Sparsamkeit“. Die Acht, ergänzte Hüffmeier, stehe theologisch für „den Anspruch des Allumfassenden, des Unendlichen, des Katholischen“. Hüffmeier: „Das hat mit der Garnisonkirche nichts zu tun.“ Hüffmeier: Die Architekten wollten der historischen Form des Kirchenschiffes nach eigener Aussage etwas Modernes entgegensetzen und bezögen sich paradoxerweise dafür auf die gotische Formensprache sowie Stilelemente der Nachkriegsmoderne. „Ein verwirrendes Stilgemisch“, findet Hüffmeier.
In der Diskussion setzte sich ein junger Mann leidenschaftlich für eine originalgetreue Rekonstruktion der Barockkirche ein: „Ich möchte keine Chimäre!“ Mitteschön-Protagonist Joachim Kuke pflichtete ihm bei und kritisierte, dass für die Kapelle „Modernität der 1930er bis 1950er Jahre“ geplant werde. Kuke erklärte ferner, dass schon zur Entstehungszeit 1730 bis 1735 über die Architektur der Kirche gestritten worden sei. „Unterschiedlicher Meinung zu sein ist keine Katstrophe“, so Kuke. Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster sagte, ihr Gefühl für Harmonie sage ihr: „Das ist nicht die Garnisonkirche.“ Ihre Frage, ob die Diskussion überhaupt noch Sinn mache angesichts des fortgeschrittenen Planungsstandes, beantwortete Johann-Peter Bauer, Vorsitzender der Fördergesellschaft der Garnisonkirche, zurückhaltend: Bis 15. April dieses Jahres würden noch Anregungen gesammelt und danach durch ein Expertengremium bewertet.
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