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Landeshauptstadt: Mondfinsternis im Hörsaal

Astrophysikalisches Institut lud zur Himmelsbeobachtung

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Astrophysikalisches Institut lud zur Himmelsbeobachtung Von Henner Mallwitz „Wissen Sie, eigentlich beschäftigen wir uns hier mit allen möglichen Dingen – nur nicht mit dem Mond“, stellte Professor Dierck Liebscher gleich von vornherein fest. Das tat der Sache jedoch keinen Abbruch, auch wenn in der Sternwarte Babelsberg des Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP) am Dienstagabend ausgerechnet die Mondfinsternis beobachtet werden sollte. Knapp 30 Sternengucker hatten sich eingefunden, waren neugierig auf das Spektakel am Potsdamer Nachthimmel, doch der wollte nicht so recht mitspielen. Wolken machten das Aufbauen des Teleskops überflüssig: Ein Abend, wie ihn die Wissenschaftler des AIP in Babelsberg beinahe gewöhnt sind. Denn für die reine Himmelsbeobachtung bleiben den Experten an diesem Standort gerade einmal 60 klare Nächte im Jahr. Wahrscheinlich, so der Professor, stamme aus dieser Problematik sogar der Name Sternwarte: „Bestimmt, weil wir so oft auf die Sterne warten.“ Sternegucken in Chile Und so reicht dann auch das alte 70-Zentimeter-Teleskop aus. „Ein großes modernes mit einem Durchmesser von acht Metern kostet rund 100 Millionen Dollar“, erklärte Liebscher den staunenden Anwesenden. „Für uns würde sich das niemals rechnen, und das Geld hätten wir auch nicht.“ Also „mieten“ sich die Potsdamer Forscher lieber an den großen astronomischen Beobachtungsstellen in den USA, in Chile und auf den Kanaren ein, um ihre Projekte mit nahezu garantiertem Erfolg anzugehen. Die Missgunst einiger Indianer, auf deren heiligen Berg ein solches Monstrum steht, fingen sich die Potsdamer bereits ein: Eine Delegation der amerikanischen Ureinwohner machte ihrem Ärger vor zwei Jahren in Babelsberg Luft. Jedoch ohne Erfolg. Denn: „Wer Karl May gelesen hat, weiß, das den Indianern jeder Berg heilig ist“, konterte Professor Liebscher damals. „Außerdem hat die Sache auch ihre zwei Seiten. Denn viele Indianer freuen sich über die vielen zahlenden Besucher, die sich die moderne Technik ansehen wollen.“ Also spielte sich auch diese Mondfinsternis für die Potsdamer unsichtbar ab – wie sich der Mond durch den Kernschatten der Erde bewegte, konnte nur am Computer nachempfunden werden. Vollständig wäre er jedoch sowieso nicht verschwunden: Im Licht der in der Erdatmosphäre gebrochenen Sonnenstrahlen hätte er kupferrot geschienen. Doch Liebscher verstand es, sein fachkundiges Publikum trotzdem zu unterhalten. Ein Astro-Quiz hatte er extra erarbeitet: Wie oft dreht sich die Erde in 24 Stunden um ihre eigene Achse? Mit welcher Geschwindigkeit wird Potsdam durch die Rotation der Erde bewegt? Wie lange musste Houston mindestens warten, bis eine Antwort von den Astronauten auf dem Mond eintraf? Oder was herrscht eigentlich auf den Osterinseln für eine Jahreszeit, wenn wir in unseren Breiten Winter haben? Nur einige Fragen, die die Köpfe zum Qualmen brachten. Der Mond und unser Schicksal Imposante Bilder von Planeten wurden da an die Wand gebracht – aufgenommen von Sonden aus einem ganz neuen Blickwinkel. Und nicht zuletzt die wahrlich nicht ganz ernst gemeinte Erkenntnis, dass die Bedeutung des Mondes für unser Schicksal immer mehr abnimmt. Denn früher, so der Professor, war man beim ersten Treffen mit der angehenden Liebsten schon auf den romantischen Mondschein angewiesen. „Heute geht das bei den jungen Leuten doch alles viel schneller“, meinte er mit einem bedeutungsvollen Lächeln. Das Astrophysikalische Institut in Babelsberg führt heute die 300-jährige Tradition der Astronomie in der Region Berlin-Brandenburg fort. 80 Wissenschaftler forschen inzwischen am AIP – damit ist es ein Zentrum der astrophysikalischen Grundlagenforschung in Deutschland. Gern geben die Experten auch regelmäßig einen Einblick in das Treiben hinter den Kulissen. An jedem dritten Donnerstag im Monat sind die Pforten für interessierte Besucher geöffnet. Bei gutem Wetter können Sterne beobachtet werden – ist der Himmel wolkenverhangen, werden die verschiedenen Instrumente und Apparate gezeigt, die für die wissenschaftliche Arbeit erforderlich sind. Auch wenn die vergangene Beobachtung nicht ganz wie gewünscht verlief – das nächste Highlight steht schon in wenigen Wochen an. Am 8. Juni zieht die Venus vor der Sonne entlang: Vier Stunden lang kann der Planet dann als kleiner schwarzer Fleck gesehen werden. Das AIP lädt zu dem Schauspiel auf den Telegrafenberg. Weitere Infos gibt es auf der Internetseite www.aip.de.

Henner Mallwitz

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