Landeshauptstadt: Möwen, Meer und Mayonnaise
Tanz in Schulen: Babelsberger Mädchen und Jungen begeben sich auf eine „Reise an die See“
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Sechs Waggons zieht die schnaufende Lok hinter sich her. Die Eisenbahn, ein Zug über den Boden robbender Kinder, schlängelt sich durch die imaginäre Landschaft, vorbei an Wiesen und Wäldern, bis der Horizont sich zum Meer hin weitet. Die ersten Möwen kreischen. Schiffe nähern sich mit tiefem Klarinettenton dem Hafen ...
So oder ähnlich kennen es die Mädchen und Jungen der Evangelischen Grundschule in Babelsberg aus ihren Ferien am Meer. Was davon in kindlicher Wahrnehmung haften blieb, bringen sie jetzt mit tänzerischen Bewegungen und maritimen Lautmalereien auf die Bühne. In ihrer Performance, die sie mit dem Tanzpädagogen Ludovic Fourest und dem Musikerzieher Nicolas Côme entwickelt haben, begeben sie sich auf eine „Reise an die See“. Und bleiben doch am Ort. Hier in Potsdam, in der fabrik, werden sie am kommenden Wochenende ihr wellenbewegtes Tanzstück erstmals öffentlich aufführen.
Seit September hat Fourest im Projekt „Tanz in Schulen“ mit den Sechs- bis Achtjährigen gearbeitet. „Keine leichte Sache“, erinnert sich der Franzose an die lange Anlaufphase. Die Mädchen und Jungen der zweiten Klasse sind „alte Hasen“, haben schon im vergangenen Jahr Bühnenluft geschnuppert. Für die Erstklässler hingegen war alles neu. Schüchtern standen sie am Rande, warteten darauf, dass ihnen jemand sagt, was sie anfangen sollen. Diesen Gefallen aber tat ihnen ihr Tanzlehrer nicht. Stattdessen begab er sich mit den Kindern auf ihre, die spielerische Ebene, phantasierte, träumte und probierte mit ihnen jene Bewegungen aus, mit denen sie sich in einen flirrenden Sommertag am Strand hineinversetzen konnten. Während die Größeren schon frei improvisierten, musste Fourest die Kleinen erst dazu ermutigen, locker zu lassen und ihrem eigenen Körper zu vertrauen. „Bis sich daraus ein gemeinsames Ganzes entwickelt, vergeht viel Zeit“, weiß er. „Es ist ungefähr so schwierig, wie Ei und Öl zu mischen. Man weiß nie, ob am Ende eine gute Mayonnaise dabei herauskommt.“
Hier an der Evangelischen Grundschule scheint es geklappt zu haben. Wenn die Klarinette von Nicolas Côme zu singen beginnt, halten die eben noch herumzappelnden Kinder inne. Besänftigt von der Musik schreiten sie durch den Raum, fächern die Arme auf wie eine Sonne, in der sie mit geschlossenen Augen ihr Gesicht wärmen. Wechselnde Rhythmen lassen sie, wie von plötzlichem Wind aufgescheucht, in die Luft springen und die Stühle, auf denen sie gerade noch versonnen saßen, im Kreis herumwirbeln.
Karen Kleemann, die Klassenleiterin, beobachtet, wie die Kinder buchstäblich über sich hinauswachsen, ihre kleinen Körper ausbreiten, sich selbst und den anderen vertrauen. Die Lehrerin weiß, dass sie und ihre Schüler davon im normalen Unterricht profitieren können. Hier beim Tanzen sind alle Sinne hellwach und die Gedanken konzentriert. Jeder muss auf den Nebenmann achten, Rücksicht nehmen, sich dennoch selbst entfalten und dabei einfügen in ein größeres Ganzes.
Diese positiven Lerneffekte haben auch andere Schulen erkannt und sind mit sechs weiteren Gruppen auf den Zug des Tanzprojektes aufgesprungen. Sie alle werden am Wochenende in der fabrik zeigen, wohin die Reise sie führte. Antje Horn-Conrad
fabrik Schiffbauergasse, Fr 15.2., 10 Uhr, Sa 16.2., 18 Uhr, So 17.2., 15 Uhr, 5/3 Euro, Karten-Tel.: (0331) 24 09 23.
Antje Horn-Conrad
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