Landeshauptstadt: Mümmelnde Kamele und eine schwebende Meerjungfrau
Zirkus Renz gab zur Premiere die Manege frei für den Nachwuchs / Schneegestöber ließ frösteln
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Der Zirkus hat es wahrlich nicht leicht in Potsdam. Schon gar nicht, wenn Schneegestöber die Menschen eher an den warmen Ofen treibt statt ins runde Zirkuszelt. Das ist zwar geheizt, doch wer sich das im Bornstedter Feld noch bis Sonntag gebotene Programm anschauen möchte, sollte sich warm anziehen. Zur Premiere gestern waren die Reihen nur mäßig besetzt.
Bei der ersten Vorstellung hatte die Zirkusmannschaft vor allem dem Nachwuchs die Manege überlassen. Es ist bereits die 8. Generation, die sich anschickt, das Erbe der Väter und Vorväter anzutreten. Die talentierte Skarlett Renz überzeugte nicht nur mit einer Hundedressur, die sie von ihrer Mutter schon mal probeweise übernommen hat. Sie legte auch einen temporeichen Auftritt am Ringtrapez hin und versuchte sich mit Anthony Renz in der Clownerie. Das Mädchen zeigte Talent zu einer großen Zirkuskarriere .
Renz ist einer der ältesten deutschen Zirkusse. Er wurde zum ersten Mal 1842 vom königlichen Commissionsrath Ernst Jakob Renz in Berlin gegründet, musste dann wegen der Weltkriege zweimal sein Chapiteau schließen. Aber wer Zirkusblut in den Adern hat, der muss auch immer wieder die Luft der Arena und des Wohnwagens schnuppern. So lebte Renz nach den Kriegen erneut auf, zuletzt 1948. Und diesen Zirkus gibt es bis heute in Deutschlands Hauptstadt.
Wer ins Programm schaut, das von über 100 Tieren, mit denen Zirkus Renz um die Welt reist, und 50 Mitwirkenden spricht, der wird in Potsdam aber nur einen kleinen Teil davon wiederentdecken. Doch so manches kann sich durchaus auch bei kritischem Vergleich sehen lassen. So ist zum Beispiel das Duo Alexis aus Frankreich ein ausgesprochenes Highlight mit seiner Akrobatik an zwei Bändern. Zuerst schwebt es gemeinsam als Meerjungfrau und Prinz durch den Zirkushimmel, später zeigt der Mann allein in atemberaubender Manier, wie man sich einwickeln und rasant in die Tiefe fallen lassen kann. Aber auch die Partnerin hatte den Beifall bei ihrem Rock“n“ Roll mit bis zu 15 Hula-Reifen auf ihrer Seite und da konnte einem allein vom Zuschauen warm werden.
Ansonsten war es ein sehr solides, familienfreundliches Zirkusprogramm mit Jonglage, seilspringendem Einrad, guten Pferdedressuren, steigenden Hengsten, einer traditionellen hohen Schule, wie sie schon seit Jahrzehnten die Herzen der Pferdefreunde erwärmt, zwei netten Dickhäutern, die sich aufs Balancieren ebenso verstehen wie auf einen Handstand. Gutmütig ließen sie auch die Zuschauerkinder nach dem Programm auf Rücken und Rüssel balancieren. H. Dittfeld
H. Dittfeld
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