Landeshauptstadt: Muschelketten und Megalithe
Der Potsdamer Thomas Bolze untersuchte auf den Osterinseln den Zustand der riesigen Steinfiguren
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Der Potsdamer Thomas Bolze untersuchte auf den Osterinseln den Zustand der riesigen Steinfiguren Von Henner Mallwitz Als sie nach strapazenreichem 30-stündigem Flug ankamen, war der Empfang für Thomas Bolze und seine Frau Gudrun landestypisch. Muschelketten wurden den beiden umgehängt – die bekommt jeder, der den Osterinseln einen Besuch abstattet. Als Touristen waren die beiden jedoch nicht auf das 3700 Kilometer westlich von Chile gelegene Eiland gekommen: Im Auftrag der Berliner Denkmalpflegefirma Maar GmbH sollte der Potsdamer Experte für Steinkonservierung an den weltberühmten Steinfiguren, den Moai, Gesteinsproben vornehmen. Stefan Maar hatte im Vorfeld einen Vertrag mit der Unesco abgeschlossen und nun mit der Rettung der zum Teil arg beschädigten Figuren beauftragt. Derzeit steckt Thomas Bolze in den Abschlussarbeiten des Projektes. „Von den rund 1000 Moais haben wir uns 20 ausgesucht, die konserviert werden sollen“, so der 50-Jährige. „Inzwischen habe ich mit meiner Frau, die Bauzeichnerin ist, alles fotografisch und kartografisch festgehalten und die Schäden aufgelistet. Nun kann die Firma eine maßgeschneiderte Methode zur Konservierung des Gesteins entwickeln.“ Bevor sich Thomas Bolze über Madrid und Santiago de Chile auf den Weg nach Hanga Roa, der Haupt- und einzigen Stadt der Osterinseln machte, hatte er sich alles mögliche an Literatur besorgt. Viel, so erzählt er, gebe es da nicht, denn der Tourismus spiele so gut wie keine Rolle. Doch er fand einiges über die berühmten Figuren, die vor allem die Küste der Insel säumen. Rund 1000 sind es insgesamt, viele von ihnen sind halbfertig und liegen noch im Vulkan Rano Raraku, aus dessen Tuffstein die Inselbewohner sie einst herausgemeißelten. „1680, noch vor der Entdeckung der Insel, war es mit dieser Kultur jedoch vorbei“, erzählt Thomas Bolze und gerät dabei geradezu ins Schwärmen. Von den Langohren hat er gelesen – jenem Volk, das sich mit Holzpflöcken die Ohren vergrößerte und das einst auf der Insel das Sagen über die Kurzohren hatte. Diese waren allenfalls für die niedrigen Arbeiten da, musste die als Totenkult gedachten Figuren aus dem Vulkan meißeln, transportieren und aufstellen. Lange spielten die Kurzohren jedoch nicht mit, bezwangen ihre Widersacher und kippten sämtliche der gehassten Steine um. Auf den Osterinseln hinterließ die Megalithkultur eine schwere Bürde. Die Ressourcen wurden verbraucht, Wälder abgeholzt, und bis heute steht kein Wald auf dem Eiland mit seinen 2800 Einwohnern. „Inzwischen wurden Eukalyptusbäume gepflanzt, aber dort wächst eben nichts anderes“, berichtet der Stein-Experte. „Geradezu gespenstisch ist es, wenn man durch einen solchen Wald geht.“ Auch mit dem Pflanzen von Palmen sei begonnen worden – so richtig habe aber auch das noch keinen Erfolg gebracht. Die letzte Skulptur wurde 1850 umgekippt – einhundert Jahre später war es der Forscher Thor Heyerdahl, der im Rahmen seiner Expedition die erste Figur in der Bucht von Anakena wieder aufstellen ließ. „Von dort an folgten viele Aktivitäten verschiedener Forscher“, so Thomas Bolze. „Inzwischen stehen 40 von ihnen wieder, von denen wir uns 20 ausgesucht haben.“ Mit Fotoapparat und Messgeräten zog er mit seiner Frau über die Insel, hielt Risse, Flechten und Moose im Tuffstein fest, wertete alles am Computer aus und konnte letztlich ein umfangreiches Bild über den Zustand der geheimnisvollen Figuren abliefern. Ab und zu hatte er auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Figuren – die höchste stehende misst elf Meter und wiegt 85 Tonnen, die größte liegende ist 21 Meter lang und 270 Tonnen schwer – stehen auf einer Art Plattform, die von niemandem betreten werden darf. Eine Ausnahmegenehmigung hatte der Potsdamer von der chilenischen Regierung zwar, doch war er dadurch gleichzeitig ein schlechtes Vorbild für einige Touristen. „Den Japanern mit Händen und Füßen klar zu machen, dass nur ich die Plattform besteigen darf, war nicht immer leicht“, erzählt er. Am Abend ging es stets zurück in die Unterkunft – Hotel wollte er es nicht nennen. „Wir waren bei einem Ehepaar untergebracht, dessen zehn Kinder schon lange aus dem Haus waren. An die einzelnen Zimmer waren Bäder angebaut; mehr Komfort braucht man auch nicht.“ So wurde also ein Monat zusammen mit einer Familie von den Osterinseln verbracht – ein Erlebnis, das sonst sicherlich keine Pauschalreise bietet. Und überhaupt gebe es nur zwei Hotels in der Hauptstadt Hanga Roa, in dessen Nähe sich zudem eine weitere Besonderheit befindet. Denn die Osterinseln verfügen nicht nur über die einzigartigen Steinfiguren, sondern auch über die längste Flugzeuglandebahn Südamerikas. Weit über zwei Kilometer ist sie lang: Die Amerikaner bauten sie einst, um im Notfall für den Space Shuttle eine Alternativ-Piste zu haben. Heute wird sie vor allem von den Flugzeugen genutzt, die auf dem Weg von Santiago de Chile nach Tahiti einen Zwischenstopp auf der Insel machen. „Für die Restaurierung der 40 noch aufrecht stehenden Moai braucht man bestimmt zehn Jahre“, schätzt der Potsdamer. Obendrein seien etwa zehn Millionen Euro aufzubringen. „Für diese Aufgabe müssen wir nun zusammen mit der Unesco Sponsoren finden“, so Geschäftsführer Stefan Maar. Maar war in Deutschland bereits an der Restauration der Würzburger Residenz, des Aachener Doms, der Nationalgalerie in Berlin sowie mehrerer Bauten in Potsdam beteiligt – Referenzobjekte, die auf das Vertrauen der Unesco stießen und dem Berliner den Zuschlag für das Projekt mit den Steinfiguren, die Teil des Weltkulturerbes sind, gaben. Für Thomas Bolze ist die Arbeit fast beendet – die komplette Schadenskartierung liegt so gut wie vor. Ob er noch einmal nach Hanga Roa fährt, hängt nun von der chilenischen Denkmalbehörde ab, die die letztliche Zusage für den Start der Restaurierungsarbeiten geben muss. „Wenn das klappt, würde ich gern die Projektsteuerung übernehmen, ich kenne mich dort sehr gut aus.“ Es wäre schön, noch einmal eine Weile dort zu sein – und auch, wieder mit Muschelketten empfangen zu werden.
Henner Mallwitz
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