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Mehrdimensional. Musiklernen.

© A. Klaer

Von Almut Andreae: Musik elementar

Musikalische Eltern-Kind-Gruppen als Lehr- und Lernangebot der Universität Potsdam

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Kinder sind nicht zimperlich, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt, in die faszinierende Welt der Töne und Klänge einzutauchen. Musikalische Weisen in Dur oder Moll sind ihnen gleichermaßen willkommen. Ein kleines Kind nimmt Musik so wie Sprache auf, vorbehaltlos und mit uneingeschränkt sinnlicher Neugier. Begeistert schwingt der Körper mit, reagiert unmittelbar auf das Erlebnis neuer Melodien und Rhythmen.

Für dieses elementare Erleben von Musik mit allen Sinnen ist es genau genommen nie zu früh. Dennoch hat sich für die gemeinsame Begegnung mit Musik in einer Gruppe ein Mindesteintrittsalter als günstig erwiesen. In den musikalischen Eltern-Kind-Gruppen, die am Institut für Musik und Musikpädagogik der Universität Potsdam angeboten werden, sind die jüngsten Teilnehmer zwischen 12 und 18 Monaten alt. In Begleitung eines Elternteils kommen sie während der Vorlesungszeit einmal wöchentlich in Berührung mit Tönen, Klängen, Rhythmik, Instrumenten und Bewegungsspielen.

Jede „musikalische Erlebniszeit“ dauert 40 Minuten und findet unter der Anleitung erfahrener Pädagogen und Studenten statt. Im Rahmen des Weiterbildungsstudiums „Elementare Musikpädagogik“ bereiten sich die angehenden Musikpädagogen auch in der Gruppenarbeit mit den Kindern und Eltern auf die Berufspraxis vor.

Elementare Musikpädagogik wurde vor zehn Jahren von Prof. Werner Beidinger als eigener Studiengang in Potsdam eingeführt. Auf diese Weise ist eine wertvolle Schnittstelle zwischen Lehre und Praxislernen im Bereich der Musikpädagogik entstanden. Musiklernen sollte, so Beidinger, im Idealfall so zeitig wie möglich erfolgen. Erkenntnisse aus dem Bereich der Hirnforschung stützen diese Auffassung. Die im Gehirn des Kleinkindes stattfindende neurologische Vernetzung ermöglicht nicht nur die im frühkindlichen Alter vorhandene ungeheure Potenz, Sprache zu erlernen, sondern eben auch Musik. Durch gezielte Lernangebote und -impulse bilden sich differenzierte Gedächtnisspuren aus. Je variantenreicher der Input – so in der Musik beispielsweise in Bezug auf Tonart, Rhythmus, Takt – desto vielschichtiger, plastischer die Möglichkeiten des Lernenden, die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Eindrücke miteinander in Beziehung zu setzen. Dergestalt ist Musiklernen nicht eindimensional, droht sich nicht auf die stereotype Weiterreichung musikalisch bewährter Strickmuster zu reduzieren.

Ziel ist auch eine Schulung und Sensibilisierung der sinnlichen Wahrnehmung. Beidinger berichtet, dass die Anleitung der Eltern-Kind-Paare zum genauen Hinhören nicht selten eine ganz neue Aufmerksamkeit und Qualität für die Kommunikation auf der Eltern-Kind-Ebene mit sich bringt. Die in den Lehrpraxisgruppen vermittelte musikalische Kommunikation wirkt fort in den Alltag und in den familiären Dialog. Musiklernen bei den Jüngsten vollzieht sich in erster Linie über die Nachahmung. Was Eltern und ihre Kinder aus den musikalischen Erlebniszeiten in ihren Gruppen mit nach Hause nehmen, wird durch das gemeinsame Wiederholen erinnert und vertieft.

Die musikalische Entwicklungsförderung ist für Werner Beidinger erklärtes Ziel der in den Lehrpraxisgruppen stattfindenden musikpädagogischen Arbeit. Sind die Kinder vier Jahre alt oder noch etwas älter, können sie bis zum Schuleintritt das Angebot der Abteilung Elementare Musikpädagogik am Institut kontinuierlich nutzen. In dieser Alters- und Entwicklungsphase sind die Eltern allerdings nicht mehr mit von der Partie. Eine ideale Größe für die Gruppenarbeit mit Kleinkindern liegt bei zehn Eltern-Kind-Paaren, bei den Gruppen der Vier- bis Sechsjährigen bei zehn bis zwölf Kindern. Nachdem das Wintersemester nun zu Ende gegangen ist, pausieren auch die insgesamt vier aktuell am Institut bestehenden Lehrpraxisgruppen. Die meisten Kinder kehren mit ihren Eltern nach den Semesterferien in die Gruppen zurück. Unabhängig davon sind Quereinsteiger hier ebenso willkommen.

Für alle hier andockenden Musiklernenden – gleich welchen Alters und welcher Vorkenntnisse – trifft die hier praktizierte Musikalisierung offensichtlich genau ins Schwarze. Von dem üblichen Programm auf dem Gebiet der musikalischen Früherziehung an Musikschulen und in diversen Kursangeboten unterscheiden sich die Lehrpraxisgruppen am Institut für Musik und Musikpädagogik dadurch, dass sie nicht produkt-, sondern prozessorientiert arbeiten. Musiklernen findet hier eher unbewusst statt, Wissen ist in seltenen Fällen unmittelbar abfragbar. Aufführungen, Tage der offenen Tür und andere Formen der Präsentation wird man hier kaum finden. Steht doch Musik und ihr elementares Erleben im Zentrum.

Almut Andreae

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