zum Hauptinhalt

PRO & Contra: Muss Jana Schulze als Stadtverordnete zurücktreten?

Das war ungeschickt. Eine Anleitung zum Sozialleistungsbetrug hat Jana Schulze vor laufender Fernsehkamera abgegeben.

Stand:

Das war ungeschickt. Eine Anleitung zum Sozialleistungsbetrug hat Jana Schulze vor laufender Fernsehkamera abgegeben. Ihr Motiv dafür war Gutmütigkeit, weil sie als Linke die Hartz IV-Gesetze nicht mit tragen will. Weil sie sie für sozial ungerecht hält. Ihre Handlung aber hat eine rechtliche Relevanz, denn dadurch hat sie vermeintlich Hilfesuchenden Tipps zum Betrug gegeben. Juristisch könnte das als Anstiftung zum Sozialleistungsbetrug gelten – bis zur Klärung des Vorwurfs sollte die Mitarbeiterin aus Scharfenbergs Wahlkreisbüro daher ihr Mandat als Stadtverordnete ruhen lassen. Nun kann darüber orakelt werden, ob Jana Schulze die Hinweise, wie Einkünfte aus Verkäufen am Sozialamt vorbei geschmuggelt werden könnten, zum ersten Mal an Hartz-IV-Betroffene weitergegeben hat. Fest steht: Sie hat es getan. Und damit hat sie ihre Funktion als Stadtverordnete missbraucht. Sie ist Ansprechpartnerin der Menschen im Wahlkreisbüro, sie steht für die Linkspartei. Dabei vertrauen die Ratsuchenden ihr vermutlich eher als dem eigenen Fallmanager beim Arbeitsamt. Dass sie ohne Warnung und Abraten von diesem Vorgehen dennoch solche Tipps erhalten, verwundert und wird abstrus, wenn eine auch aus Steuermitteln bezahlte Angestellte dazu anleitet, der Gemeinschaft zu schaden. Die Konsequenz für die Hilfesuchenden, wenn sie ihrem Rat gefolgt wären: Gegen sie würde die Staatsanwaltschaft ermitteln. Gleiches muss nun auch gegen die Anstifterin geschehen. Jan Brunzlow

Natürlich nicht. Denn zurückgetreten wird nach rechtlichem oder moralischem Fehlverhalten. Von einem rechtlichen Verstoß kann nicht gesprochen werden, denn Rechtsverstöße stellen hierzulande ganz allein Gerichte fest. Wovon man aber nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Wie steht es mit der Moral? Nun, die Linke ist die Partei, die am Schärfsten gegen das Hartz- IV-Gesetz vorgeht. Bereits 2004 hat die PDS ein Gutachten vorgelegt, wonach Hartz IV in zehn Punkten verfassungswidrig ist. Das Gutachten stellt unter anderem „die Diskriminierung von Frauen“ fest, da es verstärkt Frauen trifft, die keine Unterstützung erhalten, weil das Gehalt des Lebenspartners angerechnet wird. Ferner sieht die Linke die Würde des Menschen durch Hartz IV angetastet, moniert also einen Verstoß gegen die oberste bundesdeutsche Rechtsnorm, dem Artikel eins des Grundgesetzes. Insofern ist Jana Schulze ganz bei sich und in Übereinstimmung mit ihrer Partei, wenn sie Hartz-Betroffenen Auswege aus der Verarmung vorschlägt. Sie predigt nicht öffentlich Wasser und trinkt heimlich Wein, sondern handelt konsequent nach ihren grundlegenden Überzeugungen – und befindet sich somit im Gewissens-Notstand. Gewissensfreiheit aber garantiert Artikel vier des Grundgesetzes. Im Übrigen wäre es nahezu blödsinnig, wenn alle Politiker alle bestehenden Gesetze gut fänden. Woher kämen dann die Initiativen für neue, bessere Gesetze? Guido Berg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })