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Landeshauptstadt: Nach der Bombe ist vor der Bombe
Weitere Funde in Bahnhofsnähe möglich. Sprengkörper stammt wohl nicht vom Angriff im April 1945
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Innenstadt - Nach der Entschärfung einer 250 Kilogramm schweren Fliegerbombe am Potsdamer Hauptbahnhof können weitere Munitionsfunde im Baustellenbereich der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) nicht ausgeschlossen werden. Zwar gab es nach Angaben des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBD) Luftbildauswertungen und engmaschige Untersuchungen des Bauuntergrunds. Allerdings liege eine vier Meter dicke Bauschuttschicht über dem Erdreich, sodass nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden könne, ob das Areal restlos munitionsfrei sei. Deshalb haben Munitionsexperten stets ein Auge auf die Bauarbeiten, sagte ILB-Sprecher Matthias Haensch am Freitag den PNN.
Das Areal um den Hauptbahnhof sei im Zweiten Weltkrieg eines der Potsdamer Hauptangriffsziele alliierter Bomber gewesen, erklärte KMBD-Sprengmeister Mike Schwitzke. Die US-amerikanische Bombe stammt jedoch sehr wahrscheinlich nicht aus der Bombennacht vom 14. April 1945, sagte Zeitzeuge Horst Goltz, der seinerzeit über die Angriffe Tagebuch geführt hat, den PNN. Denn am 14. April seien nur englische Flieger im Einsatz gewesen. Wahrscheinlicher sei vielmehr, dass es sich um einen Blindgänger aus dem einzigen US-amerikanischen Tagesangriff auf Potsdam vom 21. Juni 1944 handelt. Goltz erlebte den Angriff damals als 14-jähriger Schuljunge im heutigen Einstein-Gymnasium, es war der letzte Tag vor den Sommerferien, wie er berichtet: Gegen 9.15 Uhr warnte der Hausmeister die Klassen, erst 11.15 Uhr konnten die Schüler dann den Luftschutzkeller wieder verlassen. Nach Goltz’ Recherchen waren 40 US-Flieger mit Ziel Potsdam unterwegs. „Wie durch ein Wunder gab es bei dem Angriff kaum Tote und Verletzte“, erinnert er sich. Auch die Sachschäden hätten sich in Grenzen gehalten. Die Masse der 103 Bomben sei damals auf Hermannswerder sowie in die Havel und in die Havelbucht gefallen, der Bombenteppich verlief von der Halbinsel in Richtung Heinrich-Mann-Allee bis zu den Nuthewiesen. Einwohner auf Hermannswerder, dem Tornow und der Küsselstraße waren anderthalb Tage lang ohne Strom und Wasser. Noch am 28. Juni seien damals gefundene Blindgänger vor Ort entschärft worden.
Unterdessen bestätigte Schwitzke, dass es am Donnerstagmorgen zu einer kritischen Situation gekommen sei, als ein Bagger den Blindgänger aus dem Erdreich holte und aus der Schaufel aus einem Meter Höhe fallen ließ. „Deshalb habe ich zur schnellen Entschärfung geraten.“ Die Baustelle sei sofort geräumt worden, sodass es zu keinen Bodenerschütterungen mehr kommen konnte.
Danach sei alles ordnungsgemäß gelaufen. Man könne nicht im Handumdrehen eine große Stadt räumen, meinte Schwitzke. Erst acht Sunden nach dem Fund wurde die Bombe vom KMBD am Donnerstagabend erfolgreich entschärft. Schwitzke entfernte den Zünder und sprengte diesen kontrolliert. Die Detonation war am Donnerstagabend auch bis ins Rathaus in der Friedrich-Ebert-Straße zu hören, sagte Stadtsprecherin Christine Weber. mar/jaha/dpa
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