Sport: „Nach einem Pokalsieg könnten wir befreiter antreten“
Turbine Potsdams Mannschaftskapitän Ariane Hingst zu Chancen und Risiken im DFB-Pokalfinale
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Turbine Potsdams Mannschaftskapitän Ariane Hingst zu Chancen und Risiken im DFB-Pokalfinale Haben Sie schon Herzklopfen vor dem Pokalfinale? Momentan habe ich größeres Herzklopfen wegen des 0:0 der Frankfurterinnen am Mittwochabend zu Hause gegen Bad Neuenahr. Wie kommentieren Sie dieses Resultat? Zum einen ist das gut aus unserer Sicht. Zum anderen hat sich aber im Meisterschaftsrennen nichts Wesentliches geändert: Wir müssen weiterhin die restlichen Spiele – auch das in Frankfurt – gewinnen, um den Titel zu holen. Ich hoffe, das Ergebnis sendet keine falschen Signale an unsere Spielerinnen aus. Welche denn? Dass einige denken, Frankfurt sei angeschlagen und wir hätten es nun leichter im Pokal-Endspiel. Für Sie ist die Partie im Olympiastadion am Sonnabend eine Rückkehr an einen altvertrauten Ort, oder? Stimmt. Ich habe die Pokalendspiele vier-, fünfmal als Ballmädchen sozusagen hautnah miterlebt. Haben Sie damals schon daran gedacht, eines Tages selbst dort um den Pokal zu spielen? Natürlich. Wer einmal von dort unten aus die Atmosphäre miterlebt hat, der strebt so etwas an. Damals hatten die Frauenfinals zwar noch nicht solche Kulisse wie heute, da waren anfangs vielleicht 300 dabei. Das hat sich im Laufe der Zeit aber immer mehr gesteigert. Das öffentliche Interesse am diesjährigen Pokalfinale ist groß in und um Potsdam. Bekommen Sie das auch schon zu spüren? Na klar, schon seit einigen Wochen. Ich erhalte Anfragen, ob ich nicht Karten fürs Endspiel besorgen könnte. Die Presse meldet sich und auf der Straße wird uns Mut gemacht nach dem Motto: Am Sonnabend gewinnt ihr! In dieser Richtung ist zur Zeit richtig viel Action. Wird der Erwartungsdruck im Potsdamer Raum Turbine bremsen oder zusätzliche Flügel verleihen? Viele erwarten vieles, aber die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig für beide Mannschaften, weil die besten aufeinander treffen. Frankfurts Vorteil ist, dass sie routinierter und vielleicht ein bisschen abgeklärter sind als wir. Ich hoffe vor allem, dass wir nicht zu nervös ins Spiel gehen. Ansonsten ist dieser Druck auf uns gar nicht so hoch. Schlimmer wäre er sicher, wenn wir beispielsweise gegen den HSV spielen müssten, weil wir dann als klarer Favorit gelten würden. So schieben sich beide Seiten die Favoritenrolle zu und ist der Druck auf beide Mannschaften gleichermaßen verteilt. Aber Turbine will endlich einen nationalen Titel – möglichst schon jetzt im Olympiastadion. Wenn uns das gelingen würde, könnten wir viel freier und gelöster in die restlichen Meisterschaftsspiele gehen. Dann hätten wir endlich den Erfolg, den wir unbedingt haben wollten, denn ohne Titel kannst du die ganze Saison abhaken. Zwei Tage nach dem Pokalfinale schon wieder in Saarbrücken spielen zu müssen ist natürlich eine superunglückliche Konstellation. Sollten wir am Sonnabend gewinnen, könnten wir dort aber – wie überhaupt in der dann folgenden stressigen englischen Woche – befreiter antreten. Sollten wir verlieren, müssen wir unbedingt Meister werden. Und es wird nicht so einfach, Frankfurt den Titel zu entreißen. Wie ist der FFC Frankfurt am Sonnabend zu schlagen? Indem wir alle Fehler, die wir bei unserer 0:3-Heimniederlage gegen ihn machten, abstellen. Wobei unsere Abwehr diesmal komplett anders als damals sein wird und auch unsere damals verletzten Spielerinnen wieder dabei sind. Ganz wichtig wird sein, dass wir unsere Chancen auch nutzen und nicht – wie in den letzten Spielen – tausend Möglichkeiten brauchen. Am Sonnabend werden wir nicht so viele Chancen bekommen. Außerdem müssen wir clever spielen. Auf dem großen Platz im Olympiastadion dürfen wir nicht so wie sonst einfach immer offensiv nach vorn marschieren, sondern müssen uns unsere Kräfte auch klug einteilen. Wenn wir unsere Nervosität in den Griff bekommen, schlagen wir Frankfurt. Wobei es schwer werden wird, mit kühlem Kopf in dieses Endspiel zu gehen. Hat Ihre Mannschaft sicherheitshalber auch das Elfmeterschießen trainiert? Ich hoffe, dass es dazu nicht kommt, sondern dass wir schon in den neunzig Minuten die Entscheidung klar machen, spätestens aber in der Verlängerung. Das Elfmeterschießen muss man nicht extra üben. Endweder man hat in dem Augenblick die Nervenstärke und haut den Ball rein – oder aber nicht. Nadse (Torhüterin Nadine Angerer/d. Red.) hat mir versprochen, dass sie keinen Ball rein lassen will. Insofern müssen wir nur selbst treffen, und schon sind wir Pokalsieger. Frankfurts Trainerin Monika Staab beklagt die derzeit hohe Belastung vor allem ihrer Nationalspielerinnen. Spüren Sie die ebenfalls? Frankfurt ist sicher in einer noch krasseren Situation als wir, weil sie seit einigen Zeiten immer wieder englische Wochen haben. Aber ich merke seit einigen Wochen auch diese hohen Belastungen. Nicht unbeding, weil man 90 Minuten mit der Nationalmannschaft spielt. Das ist aber auch mit vielen Reisen verbunden, und der Stress, den wir derzeit haben, ist insgesamt schon groß. Aber da müssen wir durch und ich fände es zu billig und zu einfach, so etwas als Entschuldigung oder Ausrede anzubringen. Nationalstürmerin Birgit Prinz wird in letzter Zeit meist als der personifizierte Unterschied zwischen dem FFC Frankfurt und seinen Gegnern genannt. Sie sind seit Jahren ihre Zimmerkollegin bei Spielen der Nationalelf. Haben Sie zuletzt während des FIFA-Jubiläumsspiels in Paris schon über das Pokalfinale gesprochen? Nur insofern, dass wir beide immer wieder meinten, in Berlin müssten beide Seiten ein gutes Spiel zeigen. Ein so gutes wie das Meisterschaftsfinale der letzten Saison. Es sollte spannend und unterhaltsam für die Zuschauer sein, schließlich wird es live im Fernsehen übertragen. Immer wieder ist im Gespräch, dass das Frauenfinale als Vorspiel des Männerfinales abgeschafft werden solle und wir Frauen kämpfen jedes Jahr um dieses Recht. Daher ist es um so wichtiger, ein gutes Spiel zu zeigen. Der Frauenfußball hat durch die Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr einen Schub nach vorn bekommen. Wir wollen und müssen nun zeigen, dass das keine Eintagsfliege war. Durchaus denkbar, dass Sie Birgit Prinz bei deren Sturmlauf bremsen müssen. Sie kennen sich beide gut – wem wird das in einer solchen Situation mehr helfen? Jede Spielerin kennt sie, und trotzdem schaffen es selbst Weltklassespielerinnen nicht, eine Birgit Prinz aufzuhalten. Man kann sie einfach nicht neunzig Minuten lang ausschalten. Man kann so gut wie möglich versuchen, sie am Torschuss zu hindern, und wenn das nicht gelingt, haben wir noch eine Nadse im Tor. Aber Frankfurt lebt nicht nur von Birgit Prinz, sondern hat auch andere gute Spielerinnen. Vielleicht ist es ein Vorteil von uns, dass eigentlich jede von uns ein Tor machen kann und dies bei Frankfurt derzeit mehr auf eine Birgit Prinz reduziert ist, weil einige Spielerinnen verletzt oder angeschlagen sind. Gesetzt den Fall, Turbine gewinnt den Pokal – wegen der dann folgenden englischen Woche hätten Sie gar keine Zeit, diesen Triumph richtig zu feiern. (lacht) Glauben Sie mir: Wenn wir den Pokal holen sollten, fänden wir Zeit dazu. Wobei es so und so eine Feier geben wird, hoffentlich mit gutem Ausgang. In dem Fall könnte man uns eine große Party nicht verwehren. Ich denke, wir würden dann trotzdem noch in der Lage sein, am Pfingstmontag ein halbwegs gutes Spiel in Saarbrücken abzuliefern. Welches Resultat tippen Sie fürs Finale? Kein konkretes Ergebnis. Es soll vor allem ein gutes Spiel werden. Und von mir aus kann in der 91 Minute das 1:0 für Potsdam fallen. Das wäre ja nichts Neues für uns. Das Interview führte Michael Meyer.
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