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Potsdam: Nach Messerübergiff im Supermarkt: Gerichtsprozess beginnt

Ein 35-Jähriger Asylbewerber aus Syrien sticht im Januar ohne Grund auf einen Bekannten ein. Jetzt steht er vor Gericht.

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Es gab keinen Grund für die Tat, es gab keinen Streit oder eine Auseinandersetzung. Ein syrischer Asylbewerber griff Ende Januar dieses Jahres in einem Supermarkt am Potsdamer Hauptbahnhof einen Bekannten mit einem Messer an. Nur mit viel Glück kam das Opfer mit leichten Verletzungen davon. Seit dem gestrigen Donnerstag muss sich der 35-jährige Wael A. nun wegen versuchten Mordes vor dem Potsdamer Landgericht verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, den 28 Jahre alten Firas Sch., den er aus der Zeit in einem Flüchtlingswohnheim kannte, am 28. Januar in dem Supermarkt mit einem langen Schälmesser attackiert zu haben. Er habe das Messer aus einem Regal gegriffen und sei auf sein Opfer zugegangen. Er tat demnach so, als wolle er ihn freundlich begrüßen, umarmte sein Opfer – und habe versucht, mit dem Messer in den Hals seines Bekannten unterhalb des Kehlkopfes zu stechen, so Staatsanwalt Jörg Möbius bei der Verlesung der Anklage. Es sei aber nicht zu Vollendung des Mordes gekommen, da A. sein Ziel „um einen Zentimeter“ verfehlte und statt der Weichteile am Hals mit voller Wucht das harte Brustbein traf. „Die Klinge brach ab, der Mann wurde nur leicht verletzt.“

Laut einem gerichtspsychiatrischen Gutachten ist von einer verminderten Schuldfähigkeit des 35-Jährigen auszugehen, so Möbius. Das würde bedeuten, dass er mit einer milderen Strafe zu rechnen hat. Eine volle Schuldunfähigkeit sehe er aber nicht. Kurz vor der Tat habe A. von seiner angeordneten Abschiebung nach Bulgarien erfahren, dem Land, über das er zuerst den Schengen-Raum betreten habe, sagte Möbius. „Er stand wohl sehr unter Druck.“ Außerdem habe er Medikamente einnehmen müssen und sei in Behandlung gewesen. „Er weiß nicht mehr, warum er das getan hat.“ Auch der Anwalt des Angeklagten, Matthias Schöneburg, sagte, dass sein Mandant seit Längerem „wegen einer Psychose“ in Behandlung sei. Genauere Angaben über die Erkrankung wollte er nicht machen und verwies auf das Gutachten.

Ob er abgeschoben wird, ist unklar

Ob A., der die Tat bei den Vernehmungen der Polizei einräumte und von der es auch Filmaufnahmen aus einer Überwachungskamera gibt, nach einem Urteil abgeschoben werden kann, ist unklar. So ist der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bereits mehr als sechs Monate alt. Die Abschiebung könne von Bulgarien verweigert werden, so Möbius. Das würde dann auf eine Duldung in Deutschland hinauslaufen. Diese Auffassung bestätigte auch eine Sprecherin des Brandenburger Innenministeriums. Allerdings könne das Bamf eine Fristverlängerung beantragen. Zunächst hatten Ermittler spekuliert, dass die drohende Abschiebung möglicherweise ein Motiv für die Tat gewesen sein könnte. Dies schloss der Staatsanwalt aber aus.

Die Geschichte des mutmaßlichen Täters erinnert an jene des 27-jährigen Syrers, der für einen Selbstmordanschlag in Ansbach vergangenen Sonntag verantwortlich gemacht wird. Auch er sollte nach Bulgarien abgeschoben werden.

Immerhin: Für Wael A. gab es auch einen glücklichen Moment. Sein Bruder, der derzeit in Bulgarien ein Asylverfahren durchläuft, erhielt für den Prozessauftakt eine bis Sonntag befristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Der vorsitzende Richter Theodor Horstkötter erlaubte eine kurze Unterhaltung zwischen den Geschwistern, die sich seit Längerem nicht gesehen hatten.

Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Am Montag will sich der Angeklagte äußern. Ein Urteil wird voraussichtlich Ende August fallen. (mit pb)

Stefan Engelbrecht

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