Landeshauptstadt: Nach Unfall Debatte um Radler
SPD und Grüne kritisieren Haltung der Polizei scharf
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Babelsberg - Als unverhältnismäßig und unangemessen hat gestern Nils Naber, Fraktionschef der Bündnisgrünen im Stadthaus, die Aussagen von Polizeisprecher Mario Heinemann im Zusammenhang mit dem tödlichen Radunfall am Sonntag in Babelsberg bezeichnet. Auch der SPD-Stadtverordnete Christian Seidel kritisierte die Äußerungen scharf. Er sei „fassungslos, welche stereotypen Feindbilder vom Polizeisprecher hier angesichts eines tragischen Unfalls bedient werden“, so Seidel, der auch Vorsitzender des Ordnungsausschusses der Stadtverordnetenversammlung ist. Naber sagte, die Äußerung Heinemanns zu dem eindeutig durch einen Kraftfahrer verschuldeten tödlichen Radunfall sei „nicht nur unsensibel und zynisch, sondern offenbart ein erschütterndes Bild der Potsdamer Polizei und ihrer Haltung gegenüber dem Radverkehr“.
Heinemann hatte gegenüber den PNN gesagt, „grundsätzlich sind es die Fahrradfahrer, die unangepasst fahren“. Oft werde von Radlern „mit Vorsatz“ bei roter Ampel über die Kreuzung gefahren, auch seien Radfahrer oft alkoholisiert unterwegs. Gestern räumte der Sprecher des Polizeischutzbereichs Potsdam ein, er habe sich „zu hart“ ausgedrückt. Es müssten aber alle Verkehrsteilnehmer Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme walten lassen. Bei dem tödlichen Unfall am Sonntag waren laut Polizeibericht weder eine missachtete rote Ampel noch Trunkenheit Ursachen. Die 72-jährige tödlich verunglückte Radlerin war gegen 8.45 Uhr aus der Stahnsdorfer Straße nach rechts in die Paul-Neumann-Straße abgebogen. Zeitgleich bog ein Kleintransporter aus der Gegenrichtung nach links in die Paul-Neumann-Straße ein. Dabei beachtete der Lasterfahrer den Vorrang der Radfahrerin nicht und stieß mit ihr zusammen. Die Frau stürzte, verletzte sich schwer am Kopf und verstarb kurz später im Klinikum „Ernst von Bergmann“.
Wenn die Polizei im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu dem tödlichen Unfall so argumentiere wie geschehen, suggeriere sie, dass „jeder Radfahrer, der im Straßenverkehr zu Schaden kommt, selbst daran Schuld ist“, sagte SPD-Mann Seidel. Unbenommen gebe es Radfahrer, die regelwidrig fahren, alkoholisiert oder rücksichtslos. „Ob häufiger als motorisierte Verkehrsteilnehmer wage ich zu bezweifeln und wäre sehr interessiert an statistischen Belegen für diese These“, so Seidel. Der SPD-Kommunalpolitiker verwahrte sich nachdrücklich gegen ein Ausspielen von Verkehrsteilnehmern gegeneinander. „Solche Äußerungen verstärken den Eindruck, den viele Radfahrer ganz subjektiv in unserer immer radfreundlicher werdenden Stadt haben: Dass die Polizei Radfahrer als ungeliebte und lästige Verkehrsteilnehmer betrachtet und sie auch so behandelt“, so Seidel.
Bündnisgrünen-Fraktionschef Naber sagte, die Aufforderung der Polizei an Radfahrer, einen Helm zu tragen, sei „leider einseitig“. Untersuchungen zeigten, dass Autofahrer Radler mit Helm mit geringeren Abständen passierten als unbehelmte. Um die Straßen für Radfahrer sicherer zu machen, müsse es Temporeduzierungen und gute einsehbare Querungen und Kreuzungen geben.
Im ersten Halbjahr 2010 hat die Potsdamer Polizei 174 Verkehrsunfälle registriert, an denen Radfahrer beteiligt waren. 14 wurden schwer verletzt. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 239 Unfälle mit ebenfalls 14 schwer Verletzten. Dagegen sei die Zahl der leicht verletzten Radler zurückgegangen. SCH
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