Landeshauptstadt: Nachholbedarf bei den Schulen
Zweisprachigkeit ist eine Herausforderung für die Schulen, meinen Wissenschaftler
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Zweisprachige Kinder werden öfter im Unterricht ermahnt und bekommen schlechtere Schulempfehlungen, als einsprachige Schüler. Auch wenn ihre Leistungen nicht unbedingt schlechter sind, als die ihrer einsprachigen Mitschüler. Das ist zwar glücklicherweise nicht die Regel, aber eine Tendenz, zeigen die Ergebnisse einer Studie an deutschen und türkischen Schulen, an der Forscher der Uni Potsdam beteiligt waren. Die Studie beschäftigte sich damit, wie Schulanfänger Lesen und Schreiben lernen.
Der Schriftspracherwerb sei neben mathematischen Kenntnissen die zentrale Aufgabe der Schule und eine große Herausforderung für die Schüler, sagt Christoph Schroeder, Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Uni Potsdam. Denn der Schriftspracherwerb bedeute noch viel mehr als nur Lesen und Schreiben: „Es ist eine ganz bestimmte Art und Weise sich auszudrücken, die man zu Hause nicht lernt.“ Dazu gehöre eben auch lernen, wie man sich in einem formellen Rahmen, zum Beispiel der Schule sprachlich „benimmt“. Kurz, es geht auch um wesentliche soziale Fähigkeiten, die auf den weiteren Schulerfolg einen großen Einfluss haben.
Umso problematischer wird es, wenn zweisprachige Schüler ungerechte Bewertungen erfahren müssen. Die Ursache solcher irrtümlichen Fehlbewertungen sei jedoch nicht die Zweisprachigkeit, sondern der soziale und Bildungshintergrund des Schülers, weiß Christoph Schroeder. Manchmal sei der Auslöser auch ein ganz bestimmtes Verhalten eines Schülers, ein bestimmtes Aussehen oder die Art und Weise wie die Eltern auf die Schule reagieren, das nicht der Vorstellung des Lehrers entspreche. Dass das nicht die Regel ist, betont Schroeder.
Untersuchungen zum gleichen Thema zeigen auch, dass die Schule schlechter mit Kindern aus der Türkei, den arabischen Ländern, aus Rumänien aus Russland umgehen kann, als mit Kindern aus England, Frankreich, Irland und den skandinavischen Ländern. Das Problem sei, das habe die Studie ganz klar gezeigt, nicht die Mehrsprachigkeit oder das Herkunftsland, sondern der soziale und der Bildungshintergrund von Schülern, mit dem die Schule offensichtlich nicht zurecht komme. Schulanfänger, die wissen, dass Schriftsprache etwas anderes ist als mündliche Sprache, haben einen Vorteil. Und dieses Verständnis haben zweisprachige Schüler genauso wie einsprachige, wenn sie ein Elternhaus haben, das sie unterstützt.
Das deutsche Schulsystem hat an dieser Stelle also einen Nachholbedarf, sagt Schroeder. Die Schule müsse sich mehr als bisher mit den „sprachlichen Prozessen des Schriftspracherwerbs“ auseinandersetzen, um die unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler ausgleichen zu können.
Auch wenn zweisprachige Kinder nicht schlechter lernen, lernen sie möglicherweise anders, weil sie eine zweite Sprache zur Verfügung haben. Und das Verständnis für die „Schriftsprache als eine bestimmte Form von Sprache“, so Schroeder, bedeute gerade für Schüler mit verschiedenen sprachlichen, sozialen und kulturellem Hintergründen eine große Herausforderung, die viel Engagement von Lehrern und Schülern erfordert. Nach der Studie hat der Sprachforscher jedoch den Eindruck, dass die Schule, vor allem in Deutschland, immer noch davon ausgehe, das diese Erkenntnis irgendwann bei den Schülern wie von selbst passiere.
, ine Zimmer
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