Aus dem GERICHTSSAAL: Nächtlicher Überfall
Gericht hat Zweifel an Täterschaft des Angeklagten und spricht ihn frei
Stand:
Die Anklage lautete auf räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung sowie vierfachen Computerbetrug. Bei einer Verurteilung wäre da durchaus eine Freiheitsstrafe in Betracht gekommen. Doch Jonas J.* (22) verließ den Verhandlungssaal als freier Mann. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Birgit von Bülow hegte nach umfangreicher Beweisaufnahme Zweifel an der Täterschaft des unter anderem wegen Diebstahls, Körperverletzung und Verwendens von Nazisymbolen Vorbelasteten.
Hartz-IV-Empfänger Jonas J. schwieg zum Vorwurf der Anklage, in der Nacht des 27. Juni 2011 mit einem bislang unbekannten Komplizen gewaltsam in die Wohnung des dunkelhäutigen Albin A.* Am Stern eingedrungen zu sein, den Mann brutal zusammengeschlagen, ihm danach zwei EC-Karten, sein Handy und 200 Euro entwendet zu haben. Der Verteidiger erklärte: „Mein Mandant war das nicht.“
Leider hatten die Kreditinstitute, bei denen die Räuber anschließend 30 Euro abhoben – mehr gaben die Konten des Überfallopfers nicht her – , keine Videoanlagen. Albin A. (43), begleitet von seinem Zeugenbeistand Rechtsanwalt Hans-Jürgen Kernbach, war sich jedoch sicher: Jonas J. war einer der Täter.
Erregt schilderte der Diplom-Politikwissenschaftler, wie es gegen 2.30 Uhr an der Haustür klingelte, eine männliche Stimme behauptete, von der Polizei zu sein und Einlass begehrte. Da Albin A. nicht öffnete, habe plötzlich eine Person auf dem Balkon seiner Erdgeschoss-Wohnung gestanden, mit einer Taschenlampe ins Zimmer geleuchtet. Voller Panik sei er ins Freie geflohen, dort von einer zweiten Person überwältigt worden. „Ich wurde in die Wohnung zurückgedrängt und musste mich mit erhobenen Händen an die Wand stellen. Dann haben die zwei Männer sämtliche Schubladen durchsucht und nach Geld und Drogen gefragt“, so Albin A. „Sie haben auch gedroht, mich umzubringen, falls ich Ihnen falsche Geheimnummern nenne.“ Ob Jonas J. der junge Mann war, der auf seinen Balkon kletterte, vermochte Albin A. vor Gericht nicht zu sagen. „Ich habe ihn aber vorher durch das Glas der Haustür gesehen“, beteuerte er.
Beamte des Landeskriminalamtes entdeckten auf der Balkonbrüstung den Abdruck eines handelsüblichen Sportschuhs, der sie allerdings nicht weiterbrachte. Auch die Spurensuche in der Wohnung des Opfers gestaltete sich schwierig. „Es herrschten messieähnliche Zustände. So eine Unordnung schafft man nicht während der kurzen Zeit eines Überfalls“, schätzte ein Polizeizeuge ein.
Um jemanden zu verurteilen, müsse man hundertprozentig von dessen Täterschaft überzeugt sein, sagte die Richterin bei der Urteilsverkündung. „In diesem Fall kam uns einiges komisch vor.“ (*Namen geändert) Hoga
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