
© Rolf Vennenbernd/dpa
Der "neue Mann" in Potsdam: „Nackter und käuflicher als früher“
Männer haben noch keine Alternativen zu ihrem klassischen Rollenbild gefunden - Frauen schon: Die Kunsthistorikerin Änne Söll über die Emanzipation der Frauen, die Krise der Männer - und warum am Ende beide Geschlechter nichts verlieren werden.
Stand:
Frau Söll, ihre Tagung trägt den Titel „Der Mann in der Krise“. Helfen Sie mir doch ein wenig weiter, welche Krise ist damit gemeint?
In der Männlichkeitsforschung hat sich herausgestellt, dass die Krise zum Mannsein praktisch dazu gehört. Also keine Männlichkeit ohne Krise. Es handelt sich um eine Art Mechanismus, um mit bestimmten gesellschaftlichen Veränderungen, historischen Einschnitten oder emanzipatorischen Bewegungen zurechtzukommen. Ähnlich wie bei Marx, bei dem sich der Kapitalismus auch immer in der Krise befindet, um sich zu erneuern. Es geht darum, sich für Veränderungen fit zu machen.
Änne Söll ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam. Die promovierte Kunsthistorikerin hat in Frankfurt am Main, in London und den USA Kunstgeschichte studiert. Zusammen mit einem Kollegen aus Trier hat sie die Tagung „Der Mann in der Krise“ organisiert, die derzeit an der Uni Potsdam stattfindet (16. bis 18. Mai). Auf dem Treffen wird das aktuelle Männerbild in der Kunst und in den Medien untersucht und diskutiert. Unter dem Titel „Der Mann in der Krise“ setzen sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, Polen, Kanada, den USA und der Schweiz Unter anderem geht es um die Frage, ob und wie sich das Männerbild in den letzten Jahren verändert hat.
Und in welcher Krise stecken wir Männer zurzeit?
Die größte Herausforderung für den Mann ist heute die Emanzipationsbewegung der Frauen, die noch nicht abgeschlossen ist. Hinzu kommt die Globalisierung mit Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Es geht allerdings nicht um eine einmalige Krise, die singulär überwunden wird. Es handelt sich vielmehr um einen Dauerzustand, der fit halten kann. Krise ist in diesem Sinne nie vorbei, die Formen der Männlichkeit müssen immer wieder neu ausgehandelt werden.
Klingt anstrengend.
Es hat aber einen positiven Effekt: Der Mann kann immer wieder wie der Phönix aus der Asche aufsteigen.
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Ein Beispiel bitte.
Nehmen Sie die Situation nach dem Ersten Weltkrieg. Der Krieg hat wesentlich größere Einschnitte zur Folge gehabt als erwartet. Viele Männer kamen verwundet aus dem Krieg zurück, viele Frauen hatten sich inzwischen typische Männerjobs angeeignet, hinzu kam eine generelle Modernisierung in dieser Zeit. Das alles sind Faktoren, die eine bestimmte Vorstellung von Männlichkeit in die Krise gestürzt haben. Es gab den Held nicht mehr, den Alleinverdiener nicht mehr und auch der Familienvater wurde zunehmend infrage gestellt.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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