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In Golm und in Bornim wird die Zukunft von biologischen Rohstoffen heute schon Realität

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Ob Mais, Flachs, Hanf, Pappeln oder Raps – nachwachsende Rohstoffe haben Konjunktur und das nicht nur bei Ökofreaks. Sie sind Ausgangsstoff für Textilien, Biogas oder biologisch abbaubare Kunststoffe. Die PNN berichten über die Erforschung ihrer Potenziale in der Region.

Sie sind wunderbar leicht. Ein wenig blass in den Farben vielleicht. Und statt flüchtiger Lösungsmittel entströmt ihnen manchmal und kaum merklich der Duft nach frisch getrocknetem Heu. In einem aber sind sie unschlagbar: Bodenpilze und Bakterien haben sie zum Fressen gern. Nachwachsende Rohstoffe, gehäckselt, vergoren und veratmet; gepresst in Dämmplatten, Tische und Stühle oder als Bioplastik zu Messern Gabeln und Schrauben verschmolzen, sind biologisch abbaubar und Kohlendioxid-neutral.

Die Stoffe, die land- oder forstwirtschaftlich erzeugt, aber nicht im Nahrungsmittelbereich verwendet werden, wachsen in Deutschland heute schon auf mehr als 1,4 Millionen Hektar Land. Allein 2,5 Millionen Tonnen geerntete Rohstoffe wandern vom Feld mehr oder weniger direkt als Rohstoff in die chemische Industrie. Tendenz steigend.

Einer der größten Interessenten ist ausgerechnet die Automobilindustrie. Durchschnittlich 16 Kilogramm Naturfaser stecken bereits heute in jedem Auto – und polieren durch ihre Umweltverträglichkeit das Image der Autohersteller ordentlich auf. Denn allein ein Kilo weniger Gewicht, reduziert den Treibstoffbedarf eines Kraftfahrzeugs um durchschnittlich einen Liter pro hundert Kilometer.

Und wo früher Plastiksessel, bunt gefärbte Nierentische und Dämmplatten aus Styropor Furore machten, wirbt man heute mit biologisch abbaubaren Kunststoffen, natürlichen Rohstoffen und Echtholzgarantie.

Doch Chemie und Industrie brauchen genau auf sie zugeschnittene Rohstoffe. Am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Golm versuchen Wissenschaftler deshalb auf kleinster Molekülebene die Eigenschaften natürlicher Rohstoffe zu beeinflussen. Stärke und Zellulose sind ihre Stars. Aus ihnen entwickeln sie neue Feinchemikalien, formen sie zu biologisch abbaubaren Plastikteilen oder neuartigen Vliesstoffen.

Hans-Peter Fink, Leiter der Abteilung „Native Polymere“ ist begeistert von den Möglichkeiten, die die natürlichen Rohstoffe eröffnen. Einziger Wermutstropfen: „Die Eigenschaften nachwachsender Rohstoffe sind grundsätzlich sehr gut, aber die Produktionsverfahren sind oft noch kompliziert und aufwändig.“ Dennoch ist der Chemiker überzeugt davon, dass langfristig viele synthetische Kunststoffe auf der Basis von Erdöl durch biologisch abbaubare Komponenten ersetzt werden können.

Nachwachsende Rohstoffe aber sind nur dann wirklich umweltfreundlich wenn sie auch möglichst umweltfreundlich angebaut und aufbereitet werden. Probleme, mit denen sich Forscher und Ingenieure am Leibniz-Institut für Agrartechnik in Bornim (ATB) befassen. Auch sie sind vom wirtschaftlichen Potenzial der nachwachsenden Rohstoffe überzeugt. „Sie können für Landwirte ein lohnendes Nebengeschäft sein und den ländlichen Raum auch für die Jugend wieder attraktiv machen“, so die Bornimer Experten.

Während das IAP im Auftrag der Industrie forscht, haben die Bornimer Wissenschaftler speziell die Landwirtschaft im Auge. Sie entwickeln Anlagen, Erntemaschinen und Anbautechniken, um Landwirten – insbesondere im Agrarland Brandenburg – neue Einkommensquellen zu verschaffen. Etwa als Produzenten von hochwertigen Faserplatten aus Hanf oder Flachs oder als Hersteller hochreiner Milchsäure für die chemische Industrie.

Hanf eignet sich auf Brandenburgs sandigen, trockenen Böden besonders gut als nachwachsender Rohstoff. Die Faserpflanze ist anspruchslos, ausgesprochen widerstandsfähig gegen Schädlinge aller Art und lässt sich problemlos ernten und verwerten. Dank einer neuen Methode des ATB könnte er jetzt sogar unabhängig vom Wetter geerntet werden. Grund: Die neue Anlage kann feuchtes Hanfheu verwerten, eine langwierige Trocknung des Heus auf dem Feld wird dadurch überflüssig. Sogar im Silo konserviertes Hanfheu kann zu Hanfplatten gepresst werden.

Nicht Hanf, sondern stärkehaltiges Getreide ist der Grundstoff für eine andere Anlage aus Bornim, die vor zwei Wochen in Betrieb gegangen ist. Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie sowie Forschern des IAP in Golm haben die ATB-Experten eine Anlage zur Herstellung von Milchsäure entwickelt. 100 Liter hochreine Milchsäure gewinnen die ATBler damit aus einer Tonne Roggenschrot. Milchsäure ist schon jetzt ein wichtiges Produkt der chemischen Industrie und Rohstoff für Folien, Einweggeschirr oder chirurgische Implantate. Sogar ein Ersatz für PET-Flaschen lässt sich daraus erzeugen.

Für die Naturstoff-Experten in Golm und Bornim ist die Zukunft schon heute greifbar: Sie entwickeln biologisch abbaubarer Armaturenbretter, Schrauben, ja sogar Windeleinlagen oder Textilien.

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