
© Manfred Thomas
Sport: „Natürlich waren wir geschockt“
Potsdams Abwehrchefin Stefanie Draws: Wir müssen die Bilder vom Sonntag aus den Köpfen bekommen
Stand:
Frau Draws, wie haben Sie in der Nacht zum Montag geschlafen? Nach diesem Spitzenspiel Turbines gegen den FFC Frankfurt, bei dem sich Ihre Mitspielerinnen Alexandra Singer und Stefanie Mirlach schwere Kopfverletzungen zuzogen, ehe Potsdam in der Nachspielzeit noch 1:2 verlor?
Ich war froh, irgendwann gegen eins, halb zwei in den Schlaf gefunden zu haben, denn man hat die Szenen vom Nachmittag einfach nicht aus dem Kopf bekommen.
Sie wohnen in einer WG zusammen mit Ihren Mitspielerinnen Tabea Kemme und Sandra Starke sowie mit Speerwerferin Sarah Mayer vom SC Potsdam. War da das Spiel am Abend auch noch Thema?
Ich war nicht lange zu Hause, sondern noch bei Patricia Hanebeck, wo diese Ereignisse aber natürlich auch Thema Nummer eins war. Über das Spiel an sich wurde eigentlich gar nicht gesprochen, sondern nur über diese schrecklichen Szenen kurz vor Spielschluss, die wir am Abend noch mal im Fernsehen und bei DFB-TV gesehen haben.
Sie haben den Zusammenprall ihrer Mitspielerinnen hautnah erlebt und sind Mirlach sofort zur Hilfe geeilt
Wir haben diese unglückliche Aktion direkt gesehen und natürlich versucht zu helfen. Ich war bei Stefanie und hatte auch Alexandra neben uns im Blick. Das waren schlimme Minuten.
Beim zweiten Gegentor durch Fatmire Bajramaj schienen Sie und Ihre Mitspielerinnen noch sichtlich geschockt.
Natürlich waren wir geschockt. Und wohl keine von uns hatte damit gerechnet, dass das Spiel einfach weitergeht. Eher damit, dass der Ball von Frankfurt in den letzten Minuten nur noch hin und her gespielt wird, bis Schluss ist. Und nicht damit, dass sie weiterspielen, als sei nichts passiert. Mit dem 1:1 zu diesem Zeitpunkt waren doch beide Seiten gut bedient. Ich glaube, es waren halt alle überfordert, denn Gott sei Dank passiert so etwas ja nicht oft.
Viel Zeit zum Grübeln über den Sonntag bleibt Turbine nicht, denn schon am Mittwoch kommt Standard Lüttich zum Champions-League-Rückspiel. Nach dem 3:1-Auswärtssieg im Hinspiel muss Ihre Mannschaft doch nur noch durch die offene Tür ins Achtelfinale gehen, oder?
So einfach wird das nicht werden. Wir hatten schon unsere Probleme in Lüttich, wo wir über Standards offensive Spielweise etwas überrascht waren. Ein Selbstläufer erwartet uns daher am Mittwoch nicht. Wir werden noch mal alles geben müssen, um die nächste Runde zu erreichen.
In den letzten drei Spielen – beim FCR Duisburg, drei Tage später in Lüttich und am Sonntag gegen Frankfurt – standen Sie im Zentrum der Potsdamer Dreier-Abwehrkette. Sie sind damit Turbines neue Abwehrchefin und praktisch Nachfolgerin Babett Peters, die nach Frankfurt wechselte.
Ich weiß ja nicht, ob ich es bleibe. Die neue Position ist für mich noch ein bisschen ungewohnt, aber ich würde mich freuen, wenn ich dort weiter spielen dürfte.
Staunen Sie nicht selbst manchmal darüber, wieder Stammspielerin zu sein? Vor einiger Zeit schienen Sie nach längerer Verletzungspause schon kaum noch eine Zukunft im Potsdamer Erstliga-Team zu haben.
Stimmt. Ich hatte in der vergangenen Saison schon kaum noch damit gerechnet, es noch mal zu schaffe, habe mir aber im Sommer vorgenommen, noch mal anzugreifen, die Vorbereitung voll durchzuziehen und zu gucken, was geht. Die Chancen, es wieder in die Mannschaft zu schaffen, waren besser – und es hat bisher geklappt.
Sie spielen seit 2006 für Potsdam, gehören damit inzwischen zu den Urgesteinen in Ihrem Klub. Wie definieren Sie selbst heute Ihre Rolle in Turbines Erstliga-Team?
Ich glaube, dass ich ab dieser Saison mehr Verantwortung übernehmen musste, da ich ja jetzt mit am längsten hier dabei bin. Dadurch hat sich meine Rolle ein bisschen verändert. Ich bin jetzt mehr Ansprechpartnerin für die neuen Spielerinnen und versuche auch, Tabea Kemme in ihrer neuen Rolle als Mannschaftskapitänin zu unterstützen – gemeinsam mit Jenny Zietz, die durch ihre Verletzung momentan nicht ganz so direkt am Geschehen dran sein kann.
Am Mittwoch gegen Standard Lüttich wird Alexandra Singer, die sonst rechts von Ihnen in der Abwehr spielte, fehlen. Wer könnte ihre Rolle Ihrer Meinung nach übernehmen?
Viele Alternativen haben wir ja langsam nicht mehr. Wer spielt, das wird natürlich der Trainer entscheiden. Aber vielleicht bekommt jetzt ja Heleen Jaques ihre Chance. Sie würde diese Aufgabe sicher gut erfüllen können. Und gegen eine belgische Mannschaft wäre sie als Belgierin sicher zusätzlich motiviert.
Nach Lüttich geht es Schlag auf Schlag weiter, spielt Ihre Mannschaft in den folgenden elf Tagen zu Hause gegen Essen, Bad Neuenahr und Bayern München. Wo wird Ihrer Meinung nach Turbine nach dann insgesamt drei englischen Wochen mit sieben Spielen stehen?
Schwer zu sagen. Jetzt ist erst einmal wichtig, dass wir von Spiel zu Spiel gucken und die Partie am Mittwoch über die Bühne bekommen. Noch weiß ja niemand, wie lange Steffi und Alex ausfallen. Vor allem aber müssen wir die Bilder vom Sonntag jetzt irgendwie aus dem Kopf bekommen.
Das Interview führte Michael Meyer.
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