HEYES Woche: Nerven behalten
Die Schlagzeilen auch dieser Zeitung werden in diesen Tagen und Wochen immer brisanter. Der Einsturz der internationalen Finanzarchitektur hat ein Beben ausgelöst, dessen Wellen den gesamten Erdball umrunden.
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Die Schlagzeilen auch dieser Zeitung werden in diesen Tagen und Wochen immer brisanter. Der Einsturz der internationalen Finanzarchitektur hat ein Beben ausgelöst, dessen Wellen den gesamten Erdball umrunden. Einem Tsunami gleich, werden Milliarden „fauler“ Kredite zusammen geschoben. Astronomische Summen werden aufgewendet, um sie vom Markt zu kaufen. Und mancher Kommentar lädt dazu ein, einmal mehr den Kapitalismus zu beerdigen. Die Krise lässt keinen gleichgültig und nicht nur den unbekannten Spekulanten, dem derzeit auf dem Börsenparkett die Leviten gelesen werden. Wer nun seinerseits seinen Baukredit oder die Hypothek nicht gleich ablösen kann, macht sich womöglich große Sorgen. Wie eine Krake schiebt sich der Bankenskandal auch in die privatesten Bereiche und weckt lebhafte Erinnerung an den Schwarzen Freitag vor gut 80 Jahren. Nun heißt es, Nerven behalten. Erst jetzt wird manchem klar, dass 1989 nicht nur das Sowjet-Imperium mit seinen europäischen Satelliten aus dem Wettlauf der Systeme ausgeschieden war. Mit Blick auf die vielen neuen Millionäre zwischen Moskau und Wladiwostok gelang die Anpassung an den Kapitalismus schneller als erwartet. Aber auch die vermeintlich siegreiche ehemalige Konkurrenz westdeutscher Prägung begann sich zu verändern. Schluss war mit dem gebändigten Rheinischen Kapitalismus, der vor allem auf Ausgleich bedacht war. Die Globalisierung wurde zur Chiffre, die alles zu erklären hatte, was seitdem an Veränderungen der Lebensbedingungen zu ertragen war. Jede kalte Abwicklung von Betrieben und ihre Verlagerung in Billiglohnländer wurde damit erklärt. Nur so sei man der weltweiten Konkurrenz gewachsen. Und damit der Absturz für den Einzelnen nicht noch härter würde, begann die Debatte um Mindestlöhne, die auf Hilfsarbeit angewiesenen Arbeitnehmern das Überleben ermöglichen sollen. „Zivilisiert den Kapitalismus“, heißt neuerdings die Forderung – und selbst Uncle Sam, der amerikanische Erzkapitalist, bringt sein Kapital unter staatliche Obhut. Plötzlich wird weltweit nach mehr Regulierung gerufen. Verantwortungsbereitschaft ist damit im Wirtschafts- und Finanzleben noch nicht wieder hergestellt, Vertrauen in die Integrität der Manager auch nicht. Beides ist nicht erst seit gestern verschwunden.
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg.
Uwe-Karsten Heye
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