Landeshauptstadt: Neue Campus-Variante
Millionen-Projekt und der Naturschutz: Tierschützer sehen Gefahr für Heldbock am Campus Jungfernsee
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Nauener Vorstadt - Die Pläne für den Campus am Jungfernsee sind überarbeitet – und abgespeckt. Das frühere Kasernengelände an der Nedlitzer Straße soll in den kommenden Jahren mit Stadtvillen für 1000 Menschen sowie umfangreichen Gewerbemöglichkeiten bebaut werden. Investor ist der SAP-Mitbegründer Hasso Plattner und die Campus am Jungfernsee GmbH aus Walldorf, der ursprünglich bis zu 180 Millionen Euro investieren wollte. Der seit gestern veröffentlichte Bebauungsplan für die ehemaligen Grauen Kasernen sieht eine neue Straßenbahnstrecke in den Norden, 28 Park & Ride-Stellplätze, einen Kita-Neubau, teilweise einen neuen Fuß- und Radweg, eine Uferpromenade am Jungfernsee, eine räumliche Anbindung an das Areal der Bertinistraße sowie eine vier Meter hohe Lärmschutzmauer an der Nedlitzer Straße vor. Und er beschäftigt sich mit einer der letzten großen Populationen des Heldbockes – einem vom Aussterben bedrohten, bis zu fünf Zentimeter großen Bockkäfer.
Der Plattner-Campus
Das Gelände wurde seit dem Jahr 2002 beräumt und wartet auf eine neue Nutzung. Insgesamt 40 Hektar Land zwischen Jungfernsee und Nedlitzer Straße sollen in den nächsten Jahren bebaut werden. Dabei werde der Wohnbereich von dem Gewerbegebiet abgetrennt und auch nicht durch Straßen verbunden. Geplant sind im südlichen Bereich des Entwicklungsgebietes Stadtvillen sowie Einfamilien- und höchstens Doppelhäuser. Die künftige Bebauung soll zudem näher am Wasser stehen, als es das Brandenburgische Naturschutzgesetz vorschreibt. Darin steht ein Mindestabstand von 50 Metern festgeschrieben, die Untere Naturschutzbehörde der Stadt bezeichnet die Eingriffe aber als „gering“ und das Heranrücken der Baugrenze bis auf 30 Meter als „vertretbar“. Stege, Bootshäuser und Uferbefestigungen sind laut Verwaltung aus dem B-Plan nicht ableitbar und müssten extra beantragt werden. Der nördliche Teil des Areals soll den Bürogebäuden zur Verfügung stehen, die bis zu 20 Meter hoch sein dürfen. Die Größe des verplanten Gewerbeareals ist von zehn auf sechs Hektar geschrumpft.
Straßenbahnausbau und Verkehr
Die Straßenbahn wird von der Viereckremise weiter gebaut bis zum Campus. Wie aus dem Planungsbericht hervorgeht, sollen die Gleise mit Rasen begrünt werden. Ein Zeitplan für die Verlängerung der Trasse hänge von der Entwicklung des Geländes ab. Auf der Nedlitzer Straße schlängeln sich täglich bis zu 18 000 Fahrzeuge. Die Planer wollen daher die Straße teilweise verbreitern, mit drei weiteren Ampelanlagen und Linksabbiegespuren versehen. Knapp 4000 Autos werden in Spitzenzeiten in das neue Gebiet fahren. Die Immissionsgutachter sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ein sieben Meter hoher Wall an der Straße ein kompletter Schutz für das neue Wohngebiet wäre, vier Meter würden aber ausreichen.
Bodendenkmale
Auf dem Gebiet befinden sind nach Auskunft der Verwaltung erhaltenswürdige Bodendenkmale. Bislang sind dort Gräber aus der Bronzezeit, eine Siedlung aus der Steinzeit und eine Siedlung aus der römischen Kaiserzeit entdeckt worden. Die Verwaltung empfiehlt daher eine archäologische Bestandsanalyse.
Heldbock
Der Käfer gilt als „vom Aussterben bedroht“ und steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten in Deutschland. Während die Verwaltung den Bestand durch die Eingriffe nicht beeinträchtigt sieht, kommt Gutachter Dr. Jörg Scheffler zu einem anderen Urteil. Die Planungen werden „aus Sicht des Artenschutzes nicht als positiv bewertet“, erklärt Scheffler in seinem September-Gutachten. Und: „In Auswertung kann ich Ihnen aus fachlicher Sicht leider nicht bestätigten, dass es keine Gefährdung der Population mehr gibt.“ Scheffler nennt den Käfer im Norden der Stadt als „eine der letzten großen Populationen einer seltenen und streng geschützten Tierart“. 14 Brutbäume hat das Institut für Biologie und Biochemie der Uni Potsdam festgestellt, alle sollen erhalten bleiben. Scheffler bezeichnet die Bebauung jedoch als zu dicht an den Bäumen. Insgesamt werden für das Vorhaben gut 7000 Quadratmeter Wald verschwinden. Jan Brunzlow
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