Links und rechts der Langen Brücke: Neue Mauern
Michael Erbach über die mögliche Sperrung des Uferwegs am Griebnitzsee, Ursachen für die Situation und Konsequenzen
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Natürlich ist der Termin aktuellen Entwicklungen geschuldet, doch manch einer wird darin Symbolkraft entdecken: Im 20. Jahr des Mauerfalls könnte es erneut zur Sperrung des Uferstreifens am Griebnitzsee kommen. Da, wo einst die DDR-Grenztruppen das eigene Volk einsperrten, soll jetzt das Volk ausgesperrt werden. Anrainer haben angekündigt, möglicherweise schon an diesem Wochenende den seit dem Abriss der Mauer verbliebenen früheren Kolonnenweg der Grenzer abzusperren. Kommt es dazu – und vieles spricht dafür – wäre dies nicht nur eine Provokation, es wäre auch Ergebnis einer fatalen Entwicklung, die die Stadt grob fahrlässig mit herbeigeführt hat. Zunächst einmal ist die Rechtslage eindeutig: In den beiden letzten Urteilen im juristischen Dauerkrieg um die Ufergrundstücke hat die Stadt schwere Niederlagen einstecken müssen. So wurde per Gerichtsbeschluss festgestellt, dass der Uferweg, der seit 1990 von Fußgängern und Radfahrern genutzt wird, nicht öffentlich gewidmet ist, demnach über privates Gelände führt. Das zweite Urteil betraf die Betretungsrechte für private Ufergrundstücke. Danach sind die betreffenden Grundstücksabschnitte keine freie Landschaft, sondern private Gärten. Selbst Oberbürgermeister Jann Jakobs musste zerknirscht einräumen, dass die Eigentümer das Recht hätten, den Uferweg abzusperren. Sein Appell an die Anrainer, von diesem Recht keinen Gebrauch zu machen, könnte schon an diesem Wochenende verhallt sein. Aber auch, wenn die Anrainer ihre Drohung zunächst nicht wahrmachen sollten – die Sperrung des Uferwegs kann an jedem neuen Tag erfolgen. Dabei nehmen die Anrainer in Kauf, den sozialen Frieden in der Stadt aufs Spiel zu setzen. Klassenkampf am Griebnitzsee? So einfach ist das nicht. Die Situation, die jetzt entstanden ist, hätte nämlich vermieden werden können. Zunächst einmal war es das wohl größte Versäumnis der Stadt, nach dem Beschluss der Stadtverordneten für einen Uferpark gleich nach der Wende zeitnah den dafür erforderlichen B-Plan aufzustellen. Dies gelang erst 2007, als etliche der Grundstücke längst in Privatbesitz waren. Aber auch das hätte vermieden werden können, wenn die Stadt diese Grundstücke selbst gekauft hätte. Die Möglichkeit dazu bestand, doch gab es mit dem Bundesfinanzministerium keine Einigung über den Kaufpreis. Die Stadt wollte statt der geforderten 115 Euro nur fünf Euro je Quadratmeter zahlen – also kamen viele Grundstücke in den Besitz derjenigen, die den geforderten Preis zahlten. Und die pochen nun auf ihre Eigentümerrechte. Mit einer Sperrung wollen die Anrainer Macht demonstrieren, der Stadt ihre Bedingungen für einen möglicherweise doch öffentlichen Uferweg zu diktieren. Dazu gehören mehr Bootshäuser, Stege, das Fahrradverbot und ein nächtliches Betretungsverbot. Das Ganze klingt durchaus erpresserisch – aber so ist die Situation nun einmal. Ist der Weg erst einmal dicht, sollten sich die Potsdamer auf eine längere Zeit der Sperrung einrichten. Nur erfolgreiche Verhandlungen oder letztendlich Enteignungen könnten den Potsdamern den Weg wiedergeben. Das kann dauern. Bis dahin hätten wir neue Mauern am Griebnitzsee.
Michael Erbach
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