Landeshauptstadt: Neue Töne im alternativen Gedenken Briefe von ehemaligen Zwangsarbeitern verlesen
Teltower Vorstadt - Seit zehn Jahren fordern die Verfolgten des Naziregimes (VVN) und die Kampagne gegen Wehrpflicht vergeblich, dass in Potsdam bei den Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag nicht nur Politiker, sondern auch Zeitzeugen auftreten. Aus diesem Grund gibt es neben der offiziellen Feier eine alternative Ehrung am Gedenkstein für ausländische Zwangsarbeiter, die während der Nazizeit in Potsdam ums Leben gekommen sind.
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Teltower Vorstadt - Seit zehn Jahren fordern die Verfolgten des Naziregimes (VVN) und die Kampagne gegen Wehrpflicht vergeblich, dass in Potsdam bei den Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag nicht nur Politiker, sondern auch Zeitzeugen auftreten. Aus diesem Grund gibt es neben der offiziellen Feier eine alternative Ehrung am Gedenkstein für ausländische Zwangsarbeiter, die während der Nazizeit in Potsdam ums Leben gekommen sind.
Aber für diese Feier konnte, wie der Stadtverordnete der Fraktion Die Andere und Kampagne-Sprecher Lutz Boede bedauerte, in diesem Jahr kein Zeitzeuge mehr gewonnen werden, da die noch lebenden NS-Opfer hochbetagt und meist leidend sind. Die Veranstalter hatten deshalb Eberhard Radzcuweit gebeten, aus Briefen ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener zu lesen. Der von ihm gegründete Verein kontakte - kontakty hat diese Gefangene, die nicht als NS-Opfer entschädigt worden sind, brieflich in deutschem Namen um Verzeihung gebeten und ihnen eine Spende von jeweils 300 Euro übermittelt.
Der Kontaktverein hat bisher 2000 Erinnerungsberichte von den noch etwa 20 000 lebenden ehemaligen Kriegsgefangenen gesammelt und 160 davon in einem Sammelband veröffentlicht. In einem der von Radczuweit verlesenen Briefe stellt der 92-jährige Iwan Stepanowitsch J. aus Kasan die menschenunwürdige und harte Behandlung als Kriegsgefangener in Deutschland dar. Er zeigt aber auch Mitgefühl mit den durch den Überfall auf die Sowjetunion in den Tod geschickten deutschen Soldaten. Zudem verschweigt der Briefschreiber nicht, dass überlebende und nach Kriegsende in ihre Heimat zurückgekehrte Gefangene vom stalinistischen Regime als „Verräter“ bezeichnet und wie er in seinem Dorf Repressalien und Schikanen ausgesetzt wurden.
Diese Töne waren neu im alternativen Gedenken, das bisher im Widerspruch zum Anliegen des Volkstrauertages, aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken, allein auf Verfolgte des Naziregimes bezogen worden war. Im Gegensatz zu den Vorjahren, als die Ehrung stets auch von führenden Landespolitikern der Linken besucht wurde, blieben die etwa 15 Teilnehmer diesmal unter sich. Erst nach Teilnahme an der offiziellen Feier hörte sich der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg als Zaungast die Abschlussmusik an. E. Hohenstein
E. Hohenstein
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