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Von Guido Berg: Neues Familienmitglied

Das Geoforschungsinstitut ließ einen modernen Forschungsbau auf dem Telegrafenberg errichten

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Teltower Vorstadt - Es ist bemerkenswert: Das neue Gebäude des Geoforschungszentrums (GFZ) wurde ausgerechnet gestern eingeweiht. Gestern war der Tag, an dem bekannt wurde, das Potsdam sein Stadtschloss in vollständigem Knobelsdorffschen Gewand wiedererhält. Bemerkenswert ist das deshalb, weil sich der neue Institutsbau vergleichbar mit dem neuen Landtag inmitten eines äußerst bedeutsamen Bauerbes behaupten muss. Der Unterschied aber ist, das Forschungsgebäude gelingt dies in ausgezeichneter Weise nicht mit einer historisierenden, sondern mit einer modernen Architektur. Diese Auffassung vertraten sowohl GFZ-Vorstand Prof. Reinhard Hüttl als auch Staatssekretär Johann Komusiewicz (CDU) vom Landesforschungsministerium. Durch „gute Kompromisse“ wurden sowohl die Bedürfnisse des Städtebaus als auch die der Wissenschaft im Entwurf vereinbart, erklärte Komusiewcz. Bauherr Prof. Hüttl zufolge sei „ein Neubau auf dem Telegrafenberg relativ schwierig“ zu verwirklichen gewesen. Dem Team des Architekten Reiner Becker sei es dennoch gelungen, den Normen des Ensembleschutzes auf dem 177 Jahre alten Forschungsstandort zu entsprechen.

Auf dem Telegrafenberg zu bauen ist für Architekt Becker so, als wenn er als Schwiegersohn in eine äußerst prominente Familie einheiratet. „Ich hatte großen Respekt – und das ist bis heute so“. Mehrere alte wie bedeutsame Gebäude sind es, zu denen sich der GFZ-Neubau nun gesellt. Becker erinnerte: 1876 bis 1879 wurde das Hauptgebäude des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam unter der Bauleitung von Paul Spieker und 1889 bis 1892 das Königlich Geodätische Institut errichtet. 1899 ist der Kuppelbau für den Großen Refraktor eingeweiht worden. Und letztlich: Zwischen 1919 und 1922 entstand der heute berühmte und zu seiner Zeit revolutionäre Einsteinturm nach Entwürfen des Architekten Erich Mendelsohn. „Ich wollte die vorhandenen Entwurfskonzepte aufnehmen. Das Gebäude fügt sich ein und versucht nicht, sich in den Vordergrund zu stellen“, erläuterte Becker. Dies gelingt dem Architekten dadurch, dass er einen Großteil der 1600 Quadratmeter Nutzfläche in einen Baukörper unterbringt, der in dem abschüssigen Gelände bis auf die Frontseite im Erdreich verschwindet. Auf Höhe des Großen Refraktors ist dieser Gebäudeteil nicht zu sehen. Dort werden Technik-, Werkstatt- und Archivräume untergebracht. Als Geniestreich dürfte jener Büroriegel gelten, der zwar gut zu sehen ist – von der Anhöhe des Großen Refraktors aber den Eindruck macht, als ducke er sich nach unten weg. Von der unteren Ebene des Einsteinturms jedoch wirkt das Gebäude wie freischwebend; es zieht nach oben weg und lässt ebenerdig die Sicht frei auf alte Forschungsgebäude. Fünf Millionen Euro hat dem GFZ das neue Institutsgebäude gekostet. Hüttl zufolge entstehen darin 60 moderne Arbeitsplätze für Wissenschaftler und Techniker der Geodäsie, der satellitengestützten Erdbeobachtung. Das GFZ, das unter anderem ein Tsunami-Frühwarnsystem für den indischen Ozean entwickelte, ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, von einst 280 auf jetzt 880 Mitarbeiter.

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