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Mehr Lebensqualität. Das Cochlea-Implantat gibt den Hörsinn zurück.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Neues Leben im Ohr

Das Klinikum „Ernst von Bergmann“ will mehr Implantate für besseres Hören einsetzen

Von Sarah Kugler

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Nicht kontrollierbare Schwindelanfälle, kein räumliches Hören und Angst vor Telefonaten – 30 Jahre lang war Siegrid Elsner durch ihre halbseitige Taubheit stark eingeschränkt und schließlich kurz davor, in die Frührente zu gehen. Bis ihr vor zwei Jahren im Klinikum „Ernst von Bergmann“ ein sogenanntes Cochlea-Implantat eingesetzt wurde und sie dadurch ihre volle Hörleistung zurückerlangte. „Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist“, schwärmt die 63-Jährige aus Groß Kreutz (Havel). „Das ist, als wäre ich neu geboren.“

Erst seit 2013 bietet das Klinikum „Ernst von Bergmann“ die Implantation von Cochlea-Geräten, die in einer Ursprungsform schon seit Mitte der 70er auf dem Markt sind, an. Sie bestehen aus drei Komponenten: Dem Innenimplantat, einem äußeren Aufsatz und einer Fernbedienung, mit der man die Einstellungen regulieren kann. Das Implantat wird dabei hinter das Ohr unter die Haut gepflanzt, wobei winzige Elektroden in die Hörschnecke eingesetzt werden. Außen tragen die Patienten ein Gerät, das ein wenig wie ein klassisches Hörgerät aussieht. Es empfängt die Schallwellen aus der Umwelt und wandelt sie in digital kodierte Signale um. Über eine Sendespule bahnen sich die Signale ihren Weg in das Innere des Kopfes, wo sie von der implantierten Technik weiterverarbeitet werden, sodass der Hörnerv schließlich wieder stimuliert wird.

Da sich die Geräte im Laufe der Jahre immer weiter entwickelt hätten und die Krankenkassen die Operation auch bei weniger schweren Fällen bezahlen, war es für Potsdam nun auch der richtige Zeitpunkt, sich dem Thema praktisch zu widmen, wie Markus Jungehülsing sagt. Er ist Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO). Elsner war vor zwei Jahren die erste Patientin, der in der Landeshauptstadt ein Chochlea-Implantat eingesetzt wurde.

Durch einen Hörsturz in den 80er-Jahren wurde sie auf ihrem linken Ohr taub und war seitdem in ihrem Alltag stark eingeschränkt. Durch plötzlich aufkommende Schwindelanfälle hatte sie unter anderem zwei Autounfälle und auch in ihrem Beruf musste sie sich immer weiter zurückziehen. „Ich bin gemeinsam mit meinem Mann selbstständig in der Immobilienbranche tätig“, erzählt sie. „Da hat man ständig Kundengespräche oder muss telefonieren, was einfach nicht funktioniert, wenn man immer wieder nachfragen muss.“ Keiner der vielen Ärzte, die sie besuchte, konnte ihr wirklich helfen, bis ihr das Klinikum „Ernst von Bergmann“ schließlich das Cochlea-Implantat anbot. Insgesamt sind inzwischen fünf Patienten in Potsdam mit einem Implantat ausgestattet worden, in diesem Jahr sollen noch mal zehn dazukommen.

Eineinhalb Stunden dauert die entsprechende Operation, die unter Vollnarkose und mit einem Team von bis zu sieben Ärzten und Schwestern durchgeführt wird. Eine Woche müssen die Patienten danach noch zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Nach der Entlassung darf sich der Körper erst mal vier Wochen an sein neues „Organ“ gewöhnen. Anschließend beginnt eine Rehatherapie, bei der die Patienten das Hören neu erlernen müssen.

Die Kosten für die gesamte Behandlung von Voruntersuchen bis hin zur Therapie übernimmt die Krankenkasse, vorausgesetzt es liegt ein kompletter ein- oder beidseitiger Hörverlust vor, der nicht länger als zehn Jahre andauert. „Nach Überschreitung dieser Zeitspanne verkümmert die Hirnrinde, sodass das Implantat wirkungslos wäre“, erklärt Jungehülsing. „Frau Elsner war in dieser Hinsicht ein besonderer Fall, da noch ein Resthören vorhanden war.“

Bei der Sprachtherapie arbeitet das Klinikum mit dem Hörtherapiezentrum des Oberlinhauses in Babelsberg zusammen, das schon seit vielen Jahren Cochlea-Implantat-Patienten betreut. „Mir wurde dort mein Implantat richtig eingestellt und langsam bekam ich wieder ein Gefühl fürs Hören“, so Elsner. Am Anfang musste sie die Therapie noch alle vier Wochen für jeweils zwei Stunden besuchen, inzwischen geht sie nur noch einmal im Jahr hin. Ihren Beruf kann sie nun auch wieder voll ausüben. „Ich habe fest vor, noch zu arbeiten bis ich 70 Jahre alt bin“, sagt sie lachend. Sarah Kugler

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