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Landeshauptstadt: Neues von der Maierei

Dichtung und Wohnung – Schüsse aus dem deutschen Blätterwald

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Dichtung und Wohnung – Schüsse aus dem deutschen Blätterwald Es stimmt ja gar nicht, dass der hessische Schriftsteller Andreas Maier für seine vorübergehende Tätigkeit als Stadtschreiber keineswegs in die „Platte“ ziehen wollte. Notfalls war er auch bereit, sich auf „absurde Orte“ einzulassen. Absurde Orte, die er mit 60 000 Potsdamern geteilt hätte, die nun um den Genuss einer prominenten Nachbarschaft gekommen sind. Der wahre Grund für die Absage Maiers soll vielmehr darin liegen, dass er als Gegenleistung für die 6000 Euro Stipendium die „Visionen“ eben dieser Plattenbewohner von einem „würdigen, humanen und kulturvollen Leben“ darstellen sollte. Dass es eine solche Forderung im Vertrag gegeben habe, streitet Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer vehement ab. Es fällt schwer, ihr nicht zu glauben, denn lebt man in der Platte denn unwürdig, inhuman und kulturlos? Ein klein wenig kann man dann doch verstehen, dass GEWOBA und GWG „Karl Marx“ die Wohnungsangebote in ihren „absurden Orten“ zurückzogen. Natürlich hätte eine solche Festlegung die künstlerische Freiheit Maiers eingeengt, und sie hätte auch nicht zu ihm gepasst. In seinem Erstling „Wäldchestag“ wird ein Haufen dümmlicher, schon morgens betrunkener Kleinstädter aus der hessischen Wetterau karikiert. Nach dem Umzug ins Südtiroler Dorf Klausen schildert er in seinem Zweitling unter dem unverblümten Titel „Klausen“ sprachgewaltig einen Haufen dümmlicher, schon morgens angetrunkener Dorftrottel. Wir wollen Potsdam nicht schön reden: Natürlich hätte Andreas Maier auch bei uns, und nicht nur in der Platte, Beispiele für dümmlich redende, schon früh benebelte Figuren finden können. Gabi Fischer hat ihn nicht auf diese Chance hingewiesen, sein Werk von der dörflichen auf die urbane Ebene zu heben. Ein unverzeihlicher Fehler, zumal die Beigeordnete im Gegensatz zu anderen Potsdamern doch wenigsten ein paar Blicke in Maiers Werke geworfen haben müsste, ehe sie das Stipendium anbot. Entgangen ist ihr dabei bedauerlicherweise ein Schlüsselsatz aus „Wäldchestag“: „Dieser Südhesse ist ... in jeder Hinsicht überlegen. Und mit einem, der einem überlegen ist, stelle man sich tunlichst nicht schlecht.“ Gerade das hat Potsdam aber leider getan. Der „gerissene Erzähler mit dem gewaltigen Fabuliertalent“ (Rezension) schoss daraufhin aus dem deutschen Blätterwald mit allen verfügbaren Rohren auf die Stadt. Die machte Kotau, schickte Kulturamtsleiter Gerhard Meck in die Wüste, strafte Kulturkoordinatorin Rosemarie Spatz ab und missbilligte Gabi Fischer. Sie bot dem Schriftsteller die 6000 Euro an oder wollte davon Maier-Bücher für die Bibliothek kaufen, die in ihrer Finanznot nicht einmal Werke bedeutender Autoren erwerben kann. Half alles nichts. Maier zog die Kampagne durch und bestätigte eindrucksvoll, dass „die Öffentlichkeit nichts weiter als eine Form des Wahnsinns“ ist (Zitat aus „Klausen“). Für Maier dürfte die Werbewirkung enorm sein. Als Person kennt ihn jetzt jeder. Doch wie sagte schon der weise Lessing: „Wer wird nicht einen Klopstock loben! Doch wird ihn jeder lesen? - Nein. Wir wollen weniger erhoben und fleißiger gelesen sein.“

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