
© Andreas Klaer
Von Peer Straube: Neun Gesichter gegen das Klischee
Neue Ausstellung im Projektladen in der Konrad-Wolf-Allee zeigt „Drewitzer Porträts“
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Drewitz - Platte. Hartz IV. Dreckig. Heruntergekommen. Das sind nur ein paar der Klischees, mit denen sich Drewitz und seine Bewohner herumplagen müssen. Dass der Stadtteil zwischen Stern und Kirchsteigfeld ein durchaus anderes Gesicht hat, beweist eine neue Ausstellung im Projektladen in der Konrad-Wolf-Allee, die am gestrigen Freitag eröffnet wurde. „Drewitzer Porträts“ hat die Fotografin Simone Ahrend ihre Schau genannt und dafür neun Drewitzer abgelichtet. Zu jedem Foto gehört ein kurzer Lebenslauf und das Motto des Porträtierten.
„Wir wollen damit die Bewohner anregen, sich über ihren Stadtteil Gedanken zu machen“, beschreibt Projektladen-Leiterin Kathleen Walter das Anliegen. Begleitend zur Ausstellung ist eine Broschüre erschienen, in der sich die neun Protagonisten zum Leben in Drewitz äußern, auch zu den Vorurteilen. Corinna Kirscht etwa lebt seit 21 Jahren dort. „Das ist mein Zuhause, ich könnte mir nicht vorstellen, woanders zu leben.“ Betrachte man den Plattenkiez von außen, „erkennt man nicht, dass es hier so eine Vielfalt gibt“, sagt die 26-jährige Chemielaborantin, die sich auch für ihren Stadtteil engagiert. Sie arbeitet in der Projektgruppe mit, die sich mit dem geplanten Umbau der Konrad-Wolf-Allee zu einem Park beschäftigt, dem Herzstück des Gartenstadt-Konzeptes. Es sei eine schöne Idee, mehr Grün zu schaffen, meint Kirscht. „Dafür aber eine ganze Hauptstraße lahmzulegen, erscheint mir ein bisschen unüberlegt.“
Der gebürtige Thüringer Michael Voigt lebt seit 20 Jahren in Drewitz. Er freut sich über das Ausstellungsprojekt und findet, dass Drewitz das auch nötig hat. Das „Drewitzer Feeling“ müsse „mehr ’rüberkommen“, sagt er. Schließlich habe der Stadtteil „eine Superinfrastruktur“, auch die Wohnungen seien schön, könnten allerdings „ein bisschen Farbe“ vertragen. Den Kiez zu einer Gartenstadt zu machen, sei „prinzipiell okay“, nur habe es die Stadt versäumt, die Einwohner einzubeziehen. „Man sollte einen Wettbewerb in der Bevölkerung machen“, schlägt er vor. „Wenn jeder eine Idee einbringt, wird das ein Superprojekt.“ Voigt ist einer von drei Ehrenamtlern unter den Porträtierten. Der 49-Jährige gibt in der Kita „Märchenland“ Computerkurse für die Kinder. „Jeden Tag eine gute Tat“, hat er als Motto für sein Porträt gewählt.
Hassan Al Shuga ist aus dem Jemen nach Drewitz gekommen, wo er mit Frau und Kindern seit sechs Jahren lebt. „Ein schöner Ort“ sei das, sagt er. Al Shuga ist das Paradebeispiel gegen das Drewitz-Klischee vom „Unterschichten-Viertel“. Er hat Navigation und Ökonomie studiert, lehrte in Danzig Ozeanografie an der Marineakademie, spricht neben Arabisch auch Englisch, Polnisch und Deutsch.
Simone Ahrendt war es wichtig, das schlechte Image des Stadtteils aufzubrechen. Ausgesucht hat sie die Menschen nicht nach einem bestimmten Muster. Eine Porträtierte hat die Fotografin beim Friseur angesprochen, andere wieder wurden vermittelt, über Schulen, selbst von der Feuerwehr. Ahrend hat die Menschen bewusst nicht draußen fotografiert. „Wenn man da noch Gebäude sieht, lenkt das nur ab“, sagt sie. Jedes Porträt hat den gleichen Hintergrund, so sind alle gleichwertig, auf Augenhöhe. „Mir ist es wichig, dass die Leute miteinander ins Gespräch kommen“, erzählt die Fotografin. „Ein naher Nachbar ist besser als ein weit entfernter Bruder“, so hat es Hassan Al Shuga in seinem Motto formuliert. Viel Kontakt mit Nachbarn habe er leider nicht, sagt er mit Bedauern. „Vielleicht haben sie Angst vor Ausländern.“
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